Als 7. und letzter Redner, drei Stunden nach Sitzungsbeginn begann ich meine Haushaltsrede mit den Worten. Ja, Demokratie ist manchmal anstrengend, aber da müssen wir jetzt durch. Immerhin, keine(r) ist eingeschlafen. Die Haushaltsrede der LINKEN im Heilbronner Kreistag dokumentieren wir hier:
Sehr geehrter Herr Piepenburg,
liebe KreistagskollegInnen, liebe EinwohnerInnen, liebe Gäste,
was beim Haushalt 2019 auffällt, ist die sehr unterschiedliche Steuereinnahmeseite. Einerseits zusätzliche Einnahmen von 10 Mio.
über Bundes- und Landeszuweisungen, andererseits sinkende Steuerkraftsumme der Städte und Gemeinden, entgegen dem landesweiten Trend. Woran liegt das? In Ihrer Haushaltsrede, Herr Piepenburg geben Sie darauf keine Antwort. Mir ist dazu ein Zitat untergekommen, das ich hier zum Nachdenken einbringen will: Da bin ich jetzt froh, dass ich ein anderes Zitat gefunden habe, wie die Kollegen Winkler und Brunnet.
„Wenn die Reichen sich um die Angelegenheiten der Armen kümmern, so ist das Wohltätigkeit; – wenn sich aber die Armen um die Angelegenheit der Reichen kümmern, dann ist das Anarchie.“
Wir Linke geben uns mit Wohltätigkeit nicht zufrieden. Wir wollen eine gerechte Steuerpolitik, gerade auch um die wachsenden kommunalen Aufgaben vor Ort bewältigen und finanzieren zu können. Da wollen wir nicht, dass reiche Konzerne stiften gehen, statt Steuern zu zahlen. Die gewaltigen staatlichen Investitionen, die die erfreuliche Ansiedlung von Arbeitsplätzen nach sich ziehen bezahlen sich eben nicht aus der Portokasse.
Es wird in Zukunft nicht reichen, die kommunale Unterfinanzierung innerhalb der kommunalen Familie zwischen Landkreis und Gemeinden hin- und herzuschieben. Die Senkung der Kreisumlage halten wir solange für unklug wie wir den Investitionsstau an den landkreiseigenen Schulen vor uns her schieben. Ob marode oder noch nicht, da wird Zukunft verbaut und gefährdet.
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Eine Haushaltsrede im Jahr 2018 sollte nicht auskommen, ohne zumindest einen kurzen Rückblick auf die letzten 100 Jahre. Es gibt aktuell etliche Veranstaltungen, auf denen darauf hingewiesen wird, dass die friedliche Revolution von 1918/19 der wahre Beginn unserer Demokratie war.
« Diese Revolution hat Deutschland vorangebracht und viele ihrer Errungenschaften sind für uns heute selbstverständlich: die demokratische Republik und das Frauenwahlrecht, die Verankerung von freiheitlichen und sozialen Grundrechten in der Verfassung, der Achtstundentag und die Tarifpartnerschaft zwischen Unternehmerverbänden und Gewerkschaften, Betriebsräte und Mitbestimmung» so der Autor, Dr. Wolfgang Niess.
Während der Naziherrschaft wurden diese Errungenschaften brutal außer Kraft gesetzt und das ist eben kein „Vogelschiss“ der deutschen Geschichte.
Sowas darf sich nie mehr wiederholen. Darüber sind wir uns in diesem Kreistag hoffentlich alle einig, von wenigen Ausnahmen, rund um die AfD, abgesehen. Wir alle sind dafür verantwortlich. Wir Linke treten ein für eine Gesellschaft der Vielfalt, der Toleranz und der sozialen Gerechtigkeit.
Seit 2015 habe ich vor allem durch praktische Arbeit in der Flüchtlingsbetreuung, aber auch hier im Kreistag diesen demokratischen und humanitären Grundkonsens gespürt und erlebt, bei allen Differenzen in manchen Details. Natürlich harmonieren engagierte, ehrenamtliche FlüchtlingshelferInnen und verwaltungskompetende Hauptamtliche nicht immer gleich auf Anhieb. Natürlich gibt es auch in der Kommunalpolitik teils heftige und lebendige Unterschiede und Debatten zwischen den verschiedenen Parteien. Das ist aber in einer Demokratie normal und im Idealfall auch befruchtend.
Viele der neuen Bürgerinnen und Bürger haben Arbeit gefunden, machen eine Ausbildung oder gehen in Kindergarten und Schule. Aus ersten Kontakten haben sich Freundschaften entwickelt, erfahren viele ehrenamtliche HelferInnen ihre Tätigkeit als kulturelle und menschliche Bereicherung.
Dafür auch von der LINKEN meinen herzlichen Dank. Wobei wir nicht müde werden, auch heute darauf hinzuweisen, dass die kapitalistischen Länder des Westens einen beträchtlichen Anteil daran haben, dass Kriege und schonungslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen immer mehr Menschen zur Flucht aus ihrer Heimat zwingen.
Seit der letzten Bundestagswahl 2017 scheint jedoch zum Beispiel die sinnvolle, dezentrale Unterbringung von geflüchteten Menschen in Verruf zu kommen. Sogenannte Ankerzentren sind das genaue Gegenteil. Auch im Landkreis werden ausgerechnet jetzt, wo sich haupt- und ehrenamtliche Kräfte gegenseitig effektiv stützen und entlasten, Personalressourcen zurückgefahren. Ja, auf Grund des Rückgangs von Aufnahmezahlen von Asylbewerbern ist das auch für uns teilweise nachvollziehbar. Ob allerdings die Streichung von gleich 13 Stellen gerechtfertigt ist, da haben wir Zweifel.
Damit kommen wir zum Stellenplan. Im Vorfeld gab es öffentliche Diskussionen über Personalengpässe im Landratsamt. Wir haben zunächst schriftlich ohne Erfolg, später mündlich nachgefragt. Nach einem kritischen, aber konstruktiven Gespräch mit der Verwaltung werden wir LINKE dem Stellenplan zustimmen. Wir haben uns überzeugen lassen, dass auch im Landratsamt, die Errungenschaften der Revolution von vor 100 Jahren wie Achtstundentag (als Begrenzung des Arbeitstages, in Verbindung mit einem Gleitzeitsystem), Tarifbindung, Personalrat und Mitbestimmung, angekommen sind und gelebt werden. Als Verbesserungsvorschlag im schwierigen Abstimmungsprozess um Personalressourcen, schlagen wir in Zukunft mehr Transparenz durch eine konsequentere Nutzung von Kenn- und Fallzahlen vor, die es ja zur Genüge gibt. Ebenso scheint uns eine bessere Beteiligung des Personalrats angemessen, um eventuelle personelle Engstellen besser voraussehen zu können.
Doch nochmal zurück zum Stellenplan. Die zusätzliche Stelle eines ÖPNV- Koordinators wurde von uns rechtzeitig beantragt. Sie, Herr Piepenburg, haben selbst die Begründung dazu mitgeliefert. In Ihrer Haushaltsrede, bei der Einbringung des Haushalts sagten Sie: „Der Betrieb auf der Stadtbahn Nord ist stabil und wenig störanfällig“. Tägliche Nutzerinnen und Nutzer sehen das völlig anders. Was fehlt ist eine Dokumentation von Zugausfällen und Verspätungen, eine saubere Qualitätskontrolle der bestellten und bezahlten Verkehre. Wenn im Jahr 2019 das „Rückgrat“ des Schienenverkehrs wechselt von einem für den Börsengang vorbereiteten Staatskonzern, der DB, hin zu zwei globalen, privaten Verkehrskonzernen, die Rendite machen wollen, wird nichts einfacher, im Gegenteil. Das zeigt sich schon allein an der Frage der neuen Fahrkartenautomaten der beiden neuen „Mitstreiter“. Sie können oder sollen nach heutigem Stand keine DB Fernverkehrsfahrkarten mehr liefern können. Das wäre ein digitaler Schildbürgerstreich und eine Verschlechterung für alle Bahnnutzer.
Da gibt es noch viel abzustimmen, zu vernetzen, zu strukturieren, effizienter zu machen und zu verbessern. Schon in der letzten Haushaltrede vor einem Jahr haben wir folgendes angemahnt. „Zusammen mit der Stadt Neckarsulm und mit anderen öffentlichen Verkehrsunternehmen sollte endlich mit Unterstützung der Landesregierung ein Modell geprüft werden, wie ein leistungsfähiger, kosteneffektiver und benutzerfreundlicher öffentlich rechtlicher Nahverkehrsverbund geschaffen wird, der diesen Namen auch verdient“. Soweit das Zitat aus unserer letzten Haushaltsrede.
Und liebe Kolleginnen und Kollegen was wurde im Laufe des Jahres 2018 in Sachen Verkehr und Mobilität alles konferiert, beraten, begutachtet und geschwätzt? Jetzt wird es Zeit zu Handeln. Mit den beiden Anträgen zur sozial-ökologischen Mobilität haben Sie die Möglichkeit durch Zustimmung etwas konkretes zu tun für einen besseren ÖPNV. Wir begrüßen Ihre Zusage Herr Piepenburg ausdrücklich, dass wir im März 2019 das Thema noch ausführlicher behandeln. Sie wollen uns vorstellen, wer was tut in Sachen Verkehr im Landratsamt. Auch sind wir bereit in einem entsprechenden Arbeitskreis mitzuwirken. All dies ist aber kein Ersatz dafür, heute anzufangen mit glaubwürdigen Beschlüssen für eine bessere Mobilität und der dafür notwendigen Aufstockung der Personalressource.
Dies gilt auch für die Zurückweisung der Fahrpreiserhöhungen beim HNV.
Damit kommen wir zum Thema bezahlbares Wohnen. Wir halten unsere vier Anträge dazu für wohl begründet. Auch der Antrag der SPD Fraktion zum Thema kostenlose Schülerbeförderung ist in unserem Sinne und wir werden dem deshalb ausdrücklich zustimmen. Auch die weiteren Anträge von SPD und auch von der ödp zum Abfallwirtschaftsbetrieb werden von uns eher als Bereicherung der Haushaltsberatungen gesehen, denn als Störfaktoren. Die beiden zusätzlichen Müllsheriffs lehnen wir allerdings ab, auch wenn Sie Herr Brunnet uns diesen Antrag zutrauen würden.
(Es folgen Erläuterungen zu den einzelnen Anträgen vor dem Schlusswort:)
„Es geht nicht darum zu sagen: Seht mal her, alles ist toll. Es gibt überhaupt keine Probleme. Es geht darum zu sagen: Wir sehen die Probleme. Wir sehen die Konflikte. Aber wir wollen sie lösen. Und zwar gemeinsam.“ Schlusswort: Erste Rednerin von der unteilbar – Demo in Berlin, Kübra Gümüsay (laut taz Kommentar 3.12.18):
In diesem Sinne werden wir dem Haushalt und dem Stellenplan zustimmen, bitten aber vorher um breite Unterstützung bei den Anträgen.
Alle Jahre wieder, schließe ich mich den Danksagungen und Wünschen meiner zahlreichen Vorredner an.
Über die Diskussion und Abstimmung zu unseren Anträgen folgt in Bälde
noch ein Bericht auf dieser Seite. (jom)