Johannes Müllerschön: Zum Haushalt 2010 auf der Kreistagssitzung am 7.12.09 in Offenau.
Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrter Herr Piepenburg
Als Erstes möchte ich mich bei Ihnen, Herr Landrat Piepenburg, und bei Ihnen, Herr Bürgermeister Folk, bedanken für die hervorragende Ortswahl, die Sie heute für unsere Kreistagssitzung getroffen haben. Es freut mich, dass ich meine erste Haushaltsrede in meinem Heimatort Offenau halten darf.
Die Vorzüge der Gemeinde Offenau sind vielfältig und bekannt. Die Nachteile des Wohnortes Offenau zeigen sich hier beim Blick aus dem Fenster vor allem den Anwohnern an der B 27 Ortsdurchfahrt. Dort leiden die Bewohner und der ganze Ort am zunehmenden Straßenverkehr immer mehr. Ca. 15 000 Fahrzeuge quälen sich täglich durch die enge Ortsdurchfahrt, der Schwerlastanteil nimmt ebenfalls zu. Erst letzte Woche hat die Bürgerinitiative B 27 Offenau über 700 Unterschriften für Tempo 30 und für eine schon lange diskutierte Ortsumgehung im Rathaus übergeben. Zur Verkehrsproblematik im nördlichen Landkreis komme ich nachher noch zurück.
1) Mehr Transparenz und mehr Öffentlichkeit in die Haushaltsberatungen.
Bevor ich mich zum Haushalt selbst äußere, will ich noch etwas zu den Vorberatungen und zum Thema Transparenz und Öffentlichkeit sagen. Es ist ja nicht die erste Haushaltsberatung, die ich im Landkreis verfolge. Aber ich hatte doch die Hoffnung, dass es als Kreisrat leichter ist, die nicht öffentlichen Vorberatungen zu verfolgen und eventuell Einfluss nehmen zu können. Bedenken wir die Tatsache, dass wir heute über mindestens 308,8 Mio. Euro Ausgaben fürs Jahr 2010 beschließen, dann ist darüber doch sehr wenig öffentlich beraten, geschrieben und diskutiert worden.
Mag ja sein, dass in den sechs nichtöffentlichen Ausschusssitzungen, deren Niederschrift wir heute nicht vorliegen haben, wenigstens unterschiedliche Positionen und Alternativen ausgetauscht und abgewogen wurden. Eine Zusammenfassung, wie sie von der Verwaltung in der Vorlage 52 vorgelegt wurde, reicht mir – und vermutlich auch den entsprechenden Antragstellern – jedoch nicht aus.
Von dem Schul-, Kultur- und Sportausschuss ist da zu lesen: „Der Antrag des Hauses der Familie e.V. auf Erhöhung des Zuschusses wurde abgelehnt“.
Vom Sozialausschuss heißt es lapidar “ Der Antrag des Forums Ehrenamt wurde abgelehnt“.
Und von dem Jugendhilfeausschuss ist nur zu erfahren: „Der Antrag des Stadt- und Kreisjugendrings wurde abgelehnt“.
Das Engagement dieser drei Institutionen, auch für die Einwohner des Landkreises, ist nicht hoch genug einzuschätzen. Das Zurückweisen ihrer Anträge in nicht öffentlicher Sitzung, ohne Begründung finde ich schofel und unangemessen.
Um mir als Kreisrat ein Bild über die Behandlung dieser Anträge und anderer wichtiger Vorentscheidungen in den Ausschüssen zu machen, habe ich beim Landratsamt die Niederschriften der sechs Ausschüsse angefordert. Mit dem Hinweis auf die „Nichtöffentlichkeit der Vorberatungen“ wurde mein Wunsch abgebügelt. Ich finde es befremdlich, dass ich als gewählter Kreisrat zwar an nichtöffentlichen Sitzungen zumindest teilnehmen darf (wenn ich es mir zeitlich und beruflich einrichten kann), aber keinen Anspruch haben soll auf die eh vorhandene bzw. zu erstellende Niederschrift. Offensichtlich traut die Verwaltung den einzelnen Kreisräten nicht, oder will zumindest die Lufthoheit über die Öffentlichkeitsarbeit nicht aus der Hand geben.
Die Steuerzahler, die Wähler und die Mandatsträger haben nach unserem Demokratieverständnis ein Anspruch auf umfassende Information und Transparenz. Von einem gläsernen Landratsamt sind wir in Heilbronn noch weit entfernt. Vielleicht hilft uns da ja das „Informationsfreiheitsgesetz“ weiter, das auf Bundesebene bereits seit 1.1.2006 existiert.
Unter dem Stichwort „Beteiligungshaushalt als Instrument direkter Demokratie“ gibt es bereits auf breiter politischer Ebene Alternativen zur im Landkreis praktizierten Geheimniskrämerei. Eine demokratische Kommunalpolitik erfordert, dass die politischen Entscheidungsprozesse für die Teilnahme der Bevölkerung geöffnet werden. Gerade beim Haushaltsplan sollen die EinwohnerInnen vor der Beschlussfassung umfassend informiert werden, damit diese ihre eigenen Vorstellungen und Forderungen entwickeln können. Weiter sollten sich die Kommunalvertretungen selbst verpflichten, dem Votum der Einwohnerinnen und Einwohner zu folgen. Ich gebe zu, da sind wir noch weit davon entfernt.
2) „Der Landkreis vor dem Kollaps?“ – Krisenbewältigung im Landkreis?
Am 14.November war ich auf einer Veranstaltung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung im Bezirk Unterer Neckar zur aktuellen Arbeitsmarktsituation im Stadt- und Landkreis Heilbronn.
Martin Diepgen, Leiter der Arbeitsagentur Heilbronn, hielt den Titel der Veranstaltung „Der Landkreis vor dem Kollaps?“ zwar für etwas zu reißerisch. Die Tatsache aber, dass beim Kolbenhersteller KS/ATAG in Neckarsulm 550 Stellen, bei Magna im Zabergäu und bei Lavatec in Heilbronn jeweils über 200 Stellen wegfallen sollen, zeigt, dass die Finanz- und Wirtschaftskrise auch im Landkreis angekommen ist.
Aus meiner beruflichen und betrieblichen Situation könnte ich weitere Beispiele nennen. Ich halte nichts von einer Überzeichnung der Krisenszenarien, aber die Frage sei hier erlaubt, ob wir als Landkreis wirklich vorbereitet sind auf das, was da auf uns zukommt? Mit einem Anwachsen der Arbeitslosigkeit (gerechnet wird in 2010 mit 4 Mio. Arbeitslosen) werden auch die Ausgaben der Kommunen und des Landkreises ansteigen. Auf der Einnahmenseite wird die Situation zum Beispiel durch Gewerbesteuerausfälle verschärft.
Die durch Bundespolitik und von oben verordneten Rechtsstreitereien führen ausgerechnet zum jetzigen Zeitpunkt zu großer Unsicherheit bei der Betreuung von Arbeitslosen im Landkreis. In so lausigen wirtschaftlichen Zeiten, in der die Verwaltungen von ARGE, Arbeitsverwaltung und vom Landkreis sich voll auf die Betreuung der betroffenen Menschen konzentrieren sollten, wird viel Kraft und Energie in die Umstrukturierung von Verwaltung bzw. durch Rechtsunsicherheiten vergeudet.
Für eine zusätzlich Stelle bei der Schuldnerberatung
Ob aus eigenem Verschulden oder durch Versäumnisse von Oben, ich halte den Landkreis nicht optimal vorbereitet für das, was krisenbedingt auf uns zukommt.
An einem kleinen Beispiel will ich das deutlich machen. Vermutlich sind wir uns hier im Saale alle einig, dass bei der Schuldnerberatungsstelle eine Wartezeit von 12 Monaten für beratungsbedürftige Menschen absolut inakzeptabel ist. Deshalb begrüße ich es, dass wir hier vermutlich einstimmig einer Aufstockung in der Schuldnerberatung um mindestens eine Stelle zustimmen.
Allerdings sind wir LINKE der Auffassung, dass diese Aufstockung nicht ausreichen wird, um sowohl die Wartezeiten zu reduzieren als auch die zu erwartenden höheren Fallzahlen zeitnah abarbeiten und bedienen zu können. Menschen, die so weit in finanziellen Problemen stecken, dass sie sich bei der Schuldnerberatung in Wartelisten eintragen, denen steht das Wasser bis zum Hals. Die dürfen nicht auf Monate vertröstet und wieder heimgeschickt werden, denen muss sofort geholfen werden. Deshalb bitte ich Sie darum, unserem Antrag auf eine weitere Stelle zuzustimmen, auch wenn bei heutigem Kenntnisstand noch nicht geklärt ist, wie es mit der ARGE im Landkreis weitergeht.
Gemeinsamer Appel nach Berlin
Ich bin mir nicht sicher, wie viele der hier anwesenden Mitglieder der beiden Regierungsfraktionen CDU und FDP/FWV sich auf den Koalitionsvertrag von schwarz/gelb verpflichtet fühlen. Zur Zeit wird ja von der CDU Bundesspitze versucht, alle Landesfürsten in Sachen Steuersenkungsorgie in Sippenhaft zu nehmen.
Einvernehmen herrscht vermutlich darin, dass in der Koalitionsvereinbarung viele „kommunalrelevante“ Punkte benannt sind. Ich will hier gar nicht alle aufzählen, sondern mich auf eine Maßnahme konzentrieren, nämlich auf die Pläne zur Umsatzbesteuerung von Kommunalbetrieben. Der Präsident des Deutschen Landkreistages nimmt dazu eindeutig Stellung: „Offensichtlich will sich die neue Koalition ihre geplanten Steuergeschenke auf Umwegen vom Bürger refinanzieren lassen und die Kommunen sollen dabei den Schwarzen Peter bekommen“. Ich teile diese Einschätzung, auch wenn der Präsident des Landkreistages kein Parteigänger der LINKEN ist.
Vielleicht können wir uns ja gegen diese kommunalfeindlichen Finanzierungsvorschläge der Bundesregierung gemeinsam wehren.
3) Solardachkataster anlegen – nicht nur übers Klima reden, handeln!
Heute beginnt die Klimakonferenz in Kopenhagen. Ich persönlich bin überzeugt davon, dass wir die Wirtschaftskrise und die Klimakrise nur zusammen und in Verbindung zueinander bewältigen können. Zugegeben, bis zur Regionalversammlung im Oktober wusste ich auch nicht so genau, was ein Solardachkataster ist. Es handelt sich dabei um eine GPS- und digitalgestützte Untersuchung zur Eignung von Dachflächen für Photovoltaikanlagen.
Auf der Regionalverbandsversammlung im Oktober haben wir über das Thema Photovoltaik auf Ackerflächen diskutiert. Ich kann der Position „Photovoltaik gehört aufs Dach“ schon allein wegen meiner Nähe zur Landwirtschaft durchaus etwas abgewinnen. Wenn dieses Argument allerdings von politischen Bremsern in Sachen erneuerbare Energien kommt und dazu benutzt werden soll, klimarelevantes Nichtstun zu rechtfertigen, dann ist Vorsicht geboten.
Um die erneuerbaren Energien an effektiven Stellen zu fördern und somit etwas zum Schutze des Klimas zu tun, beantragen wir LINKE ein Solardachkataster für den Landkreis Heilbronn. Ein solches Solardachkataster soll zum Beispiel auch kommunal geprägte Initiativen wie die „Bürgerenergiegenossenschaft Raum Neuenstadt“ unterstützen in Ihrem Bestreben, den Ausbau erneuerbarer Energie durch Bürgerengagement zu fördern. Ich bitte sie deshalb, meine Damen und Herren, unseren entsprechenden Antrag zu unterstützen.
4) Verkehrsbelastung verringern – ÖPNV und Stadtbahn schnell ausbauen!
Wie anfangs angekündigt noch einige Sätze zur Verkehrssituation im nördlichen Landkreis. Für mich gibt es einen einfachen Zusammenhang zwischen Versäumnissen und Verzögerungen bei der Stadtbahn Nord, Reduzierungen von Bahnkilometern auf der Frankenbahn und dem zunehmenden Problem der Straßenverkehrsbelastung entlang einiger Ortsdurchfahrten. Dort, wo Busse und Bahnen den ländlichen Raum nicht ausreichend erschließen, nimmt der Autoverkehr zu und verstopft die Straßen. Hinzu kommen Mautflüchtlinge und Stauumfahrungsverkehre.
Ich begrüße es, dass sich Bürgerinitiativen diesem wichtigen Thema widmen, dass sie sich auch ortsübergreifend vernetzen und dass sich die BI Frankenbahn den StraßenverkehrsBIs im nördlichen Landkreis anschließt. Damit ist das Bürgerengagement meiner Meinung nach weiter entwickelt wie manches Kommunalparlament mit seiner Kirchturmpolitik. In diesem Zusammenhang bitte ich Sie, den Antrag zur Streichung bzw. Verschiebung der Gelder für den Brückenbau in Gundelsheim zu betrachten.
Es wird und es wurde für den Verkehr im nördlichen Landkreis viel Geld in die Hand genommen. Eine Lösung für viele Verkehrsbrennpunkte zeichnet sich damit noch nicht ab. Der große Wurf fehlt. Da der tatsächliche Bau der Brücke entsprechend der mittelfristigen Finanzplanung eh erst im Jahre 2011 ansteht, sollten die Varianten von Gundelsheim und die neueren von Offenau (kleine Umfahrung) noch einmal auf Kompatibilität und Kosteneffizienz, zum Beispiel bei zeitgleicher Verwirklichung, geprüft werden.
Sehr geehrte Herren Böhringer und Brunnet, sie haben die drei Anträge der LINKEN etwas voreilig schon abgelehnt, ohne sich die mündliche Begründung dazu anzuhören. Vielleicht ist es mir ja mit meiner Rede gelungen, den einen oder die andere auch von der CDU und von der FWV/FDP Fraktion zu überzeugen.