Bauernproteste

09. Januar 2024  Ländlicher Raum, Umwelt

Am Montag 8.1. gab es bundesweite Proteste der Landwirte. Auch hier im Landkreis wurde mit Traktoren protestiert. Als Linke unterstützen wir die Forderungen. Hier ein Positionspapier von linken Landessprechern für Landwirtschaft, bei Interesse können wir im Kreisverband gerne über die Positionen diskutieren, einfach in das Kontaktformular schreiben:

Ina Latendorf, MdB Dezember 2023

Agrarpolitische Sprecherinnen der Fraktionen DIE LINKE der Länder

Allgemeine Einschätzung der jüngsten Bauernproteste und daraus abzuleitende politische Forderungen

Die Bundesregierung hat vor dem Weihnachtsfest ihre Pläne zur Streichung der Agrardiesel-Subventionen und der Streichung der KFZ-Steuern für die Agrarwirtschaft verkündet.

Gegen diese kurzfristig getroffene Entscheidung der Bundesregierung regt sich Widerstand des Berufsstandes im ganzen Land. Eine Abwägung der Folgen dieser Kür-zungen liegt nicht vor.

Unter dieser Maßnahme leiden besonders der ökologische Landbau, reine Ackerbau-betriebe und die landwirtschaftlichen Unternehmen in Ostdeutschland. Die Ungleich-heit zwischen den Lebensverhältnissen Ost – West wird damit weiter bedient.

Die Agrarpolitischen Sprecherinnen der Linken im Bundestag und den Bundeslän-dern lehnen diese Streichung ab.

Das im Bundeshaushalt fehlende Geld kann sich die Bundesregierung von den Ver-mögenden in diesem Land holen.

Die deutschen Landwirtinnen und Landwirte stehen seit Jahrzehnten unter zuneh-mendem wirtschaftlichen Druck, der sich unter anderem in einem massiven Rück-gang von landwirtschaftlichen Unternehmen und im Höfesterben niederschlägt. Allein in den vergangenen 10 Jahren mussten 40.000 Betriebe ihre Tore für immer schlie-ßen und 90.000 Menschen ihre Beschäftigung in der Landwirtschaft aufgeben. Zeit-gleich sinkt auch der Selbstversorgungsgrad hierzulande immer weiter ab.

Zu den größten Herausforderungen der Branche gehören ohne Zweifel der immer schwerer werdende Zugang zu Grund und Boden, die Marktmacht des Lebensmitte-leinzelhandels, die billigen Importe aus dem Ausland in Verbindung mit einer immer weiter herabgesetzten Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Erzeuger und die fehlende Planungssicherheit aufgrund erratischer politischer Entscheidungen in Berlin und Brüssel, die zusammen mit einer überforderten Verwaltung zu einer unerträglichen Bürokratisierung dieses Wirtschaftszweiges geführt haben.

Die Streichung der Agrardieselsubventionierung und der Kfz-Steuerbefreiung ist da-bei nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. DIE LINKE adressiert hier vor allem die fehlgeleitete Agrarpolitik im Ganzen. Die aktuellen Entscheidungen stehen in einer Reihe mit weiteren einseitigen Belastungen, die der Landwirtschaft Stück für Stück auferlegt worden sind: Reform der GAP mit Verringerung der Einkommensstützung und höheren Anforderungen an Umweltleistungen, erhöhte Tierwohlanforderungen ohne verlässliche Gegenfinanzierung, Düngeregelungen, Beschränkungen des Pflanzenschutzmitteleinsatzes ohne geeignete Alternativen, verpflichtende Flächenstilllegung, neue Freihandelsabkommen, Kürzungen der GAK, Steigerung der Energie- und Düngemittelpreise, angekündigte Kürzungen des Aktionsprogramms

Natürlicher Klimaschutz, Absenkung des Durchschnittssatzes der Umsatzsteuerpauschalierung sowie Zielkonflikte bei der Bodennutzung durch Erneuerbare Energien, Aufforstungen und Revitalisierung von Moore.

Neben den Kipppunkten unseres Ökosystems gibt es auch Kipppunkte bei der Stimmung der Gesellschaft. Diese Kipppunkte sind längst erreicht. Die reichsten Deutschen sind die Bosse von Aldi, Lidl und Co. Die Methoden dieser Unternehmen erinnern zum Teil an feudale Geschäftspraktiken. Wir haben kein Ausgabenproblem, wir haben ein Einnahmeproblem. Wenn Geld fehlt, soll der Finanzminister es sich dort holen, und die Bäuerinnen und Bauern, die diese Vermögen mit erwirtschaften, nicht doppelt zur Kasse bitten. Wenn es um den Abbau klimaschädlicher Subventionen geht, dann soll die Regierung das Dienstwagenprivileg streichen. Wenn sie es ernst meinen mit dem Umweltschutz, dann sollen sie das Kerosin besteuern. Die Bäuerinnen und Bauern werden darunter nicht leiden, denn Urlaub machen die meisten von ihnen schon lange nicht mehr. Wenn tatsächlich Ausgaben gesenkt werden sollen, dann nicht bei denen, die unter den Zumutungen dieser Regierung am meisten zu leiden haben: nicht beim Mittelstand, nicht bei den prekär Beschäftigten, nicht bei Ar-beitslosen und Geflüchteten, kurz: nicht bei den Opfern des kapitalistischen Systems, sondern bei denen, die davon am meisten profitieren. Dazu gehören gegenwärtig ohne Zweifel auch die Rüstungskonzerne. Es ist bezeichnend, dass eine Streichung der Rüstungsausgaben von dieser Regierung nicht einmal erwogen wird.

Die sozial-ökologische Transformation wird nicht möglich sein, wenn es keinen Bauern mehr in Deutschland gibt. Zuerst muss die Landwirtschaft eine Perspektive bekommen, sie ist das Unterpfand für die Zukunft dieses Landes. Stirbt der Bauer, stirbt das Land!

 

Allgemeine agrarpolitische Positionen

Agrarwirtschaft und Protektionismus

Agrarwirtschaft soll heute mehr leisten als Produktion von Lebensmitteln und nachwachsenden Rohstoffen. Die Gesellschaft verlangt die Einhaltung von Sozial-, Umwelt- und Tierschutzstandards, sie fordert eigenständige Beiträge zum Klimaschutz, zum Erhalt der biologischen Vielfalt, zur Pflege von Kulturlandschaften und sie mahnt faire globale Handelsbeziehungen an. Es geht um eine Agrarwirtschaft im Einklang mit natürlichen Ressourcen und funktionsfähigen Ökosystemen und das setzt voraus, dass Ökosystemdienstleistungen verlässlich, auskömmlich und planbar finanziert werden.

Dabei können die hohen Produktionsstandards der heimischen Agrarwirtschaft nur erhalten werden, wenn der Binnenmarkt vor billigen Importen landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Drittländern geschützt wird. Ansonsten drohen ein desaströser Preisverfall und die Verlagerung der Lebensmittelproduktion in Länder, die genau diese hohen Standards nicht erfüllen. Deshalb lehnen wir Handelsabkommen wie das zwischen EU und MERCOSUR ab und fordern eine eindeutige Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln! Wir wollen, dass sich Landwirtschaft stärker an regionalen Wirtschaftskreisläufen orientiert und dass mehr ihrer Produkte direkt im Hof nebenan oder Supermärkten verkauft oder frisch in Kita-, Schul- oder

Krankenhausküchen zu gesundem Essen verarbeitet werden. Dies kann insbesondere durch die Förderung des Aufbaus regionaler Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten, die Unterstützung regionaler Marketinginitiativen sowie klare Rahmensetzung für die Nutzung regionaler Produkte ermöglicht werden.

Nutztierhaltung

Unser Ziel ist eine bodengebundene Tierhaltung, die ausreichend Fläche für die Futtererzeugung und die Gülleausbringung berücksichtigt. Die Auflösung der Borchert-Kommission ist ein falsches Signal. Der Umbau der Tierhaltung darf nicht weiter auf Kosten der Landwirtinnen und Landwirte und zu Lasten der tierhaltenden Betriebe gehen. Die Kommission muss wiedereingesetzt und die Arbeit der Kommission von der Bundesregierung endlich ernst genommen und berücksichtigt werden. Die Ergebnisse der Kommission, insbesondere eine dauerhafte und auskömmliche Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung ist notwendig. Deshalb sind die Kürzungen in der GAK im Bereich Tierwohl zurückzunehmen und entsprechende Finanzierungsinstrumente einzuführen.

Gerade in der Tierhaltung spielen faire Erzeugerpreise eine immer größere Rolle. Die immer wiederkehrenden Milchpreiskrisen zeigen, dass dringend Handlungsbedarf bei den Lieferbeziehungen und der Preisgestaltung für die Milch besteht.

Der sozialverträgliche Umbau der Tierhaltung ist eine zentrale Stellschraube, um in der gesamten Landwirtschaft mehr Tierwohl, Klimaschutz und mehr Umweltschutz zu erreichen und das geht nur mit den Landwirtinnen und Landwirten und es braucht Vertrauen, Verlässlichkeit, Planbarkeit und eine gesicherte Finanzierung.

Da zentrale Großschlachtbetriebe überall regionale Schlachtereien verdrängt haben, werden die Tiertransportwege immer länger. Aber Kontrollen finden nur wenige statt, Verstöße werden selten oder zu gering geahndet. Solche Zustände akzeptieren wir nicht länger! Der notwendige Transformationsprozess darf aber nicht allein auf dem Rücken der Landwirt*innen und Verbraucher*innen ausgetragen werden. Daher setzen wir uns für die Ausweitung der Bundesförderung für tiergerechte Haltungssysteme auf alle Tierarten und Haltungsformen, für die Einschränkung von Lebendtiertransporten, stärkere Kontrollen und für dezentrale Schlachtstrukturen ein.

Ungleichheit in der Landwirtschaft

In grünen Berufen verdient man immer noch unterdurchschnittlich. Mit Milch- und Fleischpreisen auf Ramschniveau wird ein guter Lohn unerreichbar bleiben. Deshalb muss die Marktdominanz der Lebensmittelriesen von Aldi bis Rewe, der Mega-Molkereien und großen Schlachthöfe verringert und die Verhandlungsmacht der Landwirte gestärkt werden. Nötig sind gerechte Lieferbeziehungen, ein starkes Kartellrecht und die Entflechtung der die Wertschöpfungskette dominierenden Oligopolstrukturen. Wir setzen auf die Förderung regionaler, genossenschaftlich organisierter Erzeugergemeinschaften oder von Selbstversorgungsstrukturen wie der solidarischen Landwirtschaft, auf dezentrale Verarbeitungskapazitäten und Eigenvermarktungsstrukturen. Die Vorgabe von Mindesterzeugerpreisen beispielsweise für Milch und Fleisch wollen wir unterstützen und unlautere Handelspraktiken konsequent verbieten.

Wolf

Der Wolf ist in den vergangenen Jahren zum Politikum geworden. Problematisch ist die Ausbreitung speziell für Weidetierhalter, da die Zäunung der Weidetiere zur Verhinderung von Übergriffen deutlich aufgerüstet werden muss. Dies verursacht einen deutlich höheren Arbeits- und Materialaufwand, der von den Erlösen der Weidetierhalter, die regelmäßig zu den landwirtschaftlichen Berufsgruppen mit den geringsten Einkommen gehören, nicht bewältigt werden kann.

Die exponentielle Vermehrung des Wolfes stellt einen die Weidehaltung gefährdenden neuen Einflussfaktor dar. Neben einer verlässlichen, auskömmlichen sowie sachgerechten und unkomplizierten Förderung des Herdenschutzes müssen Tierverluste staatlicherseits schnell kompensiert werden. Bereits heute besteht aufgrund der Aufweichung der Gesetzgebung die Möglichkeit der Jagd auf Wölfe aus auffälligen Rudeln. Dieses Recht zur Entnahme von Wölfen muss voll ausgeschöpft werden, um die Akzeptanz großer Beutegreifer zu fördern und ihren hohen Schutzstatus nach FFH-Richtlinie zu erhalten. Vorrausetzung ist, dass die Bundesregierung den guten Erhaltungszustand des Wolfes in Deutschland definiert und schließlich feststellt, um dann die damit einhergehende Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes sowie die Einführung einer Länderöffnungsklausel für Managementmaßnahmen in den Ländern zu prüfen.

Existenzgründer

 

In den landwirtschaftlichen Betrieben werden aufgrund des Generationswechsels in den kommenden Jahren verstärkt junge Fachkräfte benötigt. Insbesondere geht es um junge Menschen, die eine Existenz gründen bzw. die Betriebsnachfolge antreten wollen. Deshalb soll die Niederlassung von Junglandwirt*innen durch eine Förderung im Rahmen des genehmigten GAP-Strategieplans der Bundesrepublik Deutschland 2023 bis 2027 erleichtert werden, wie das in Thüringen bereits jetzt erfolgt. Mit dem Zuschuss können vorhandene Jobs besser gesichert und sogar Arbeitsplätze neu geschaffen werden. Das macht ländliche Räume perspektivisch noch attraktiver für die individuelle Lebens- und Berufsplanung von jungen Menschen.

 

Grund und Boden

Boden ist ein begrenztes und deshalb begehrtes Gut – knapper werdende Flächen und die Aktivitäten des internationalen Finanzkapitals lassen die Preise explodieren. Der Flächenverbrauch für Verkehr, Siedlungsbau und Rohstoffgewinnung muss spürbar zurückgeführt werden. Eine weitere Versiegelung von Flächen führt zu großen Problemen, beim Schutz der Grundwasserressourcen. Deshalb setzen wir uns für eine Entsiegelungsstrategie ein. Außerdem stehen wir für eine Vielfalt in der Eigentümerstruktur in der Landwirtschaft und wollen verhindern, dass immer mehr große Investoren und Konzerne das Allgemeingut Boden aufkaufen und in ihren Händen konzentrieren. Hinsichtlich der Flächen, die weiterhin von der BVVG kontrolliert werden, besteht ein deutliches Handlungserfordernis, um die Weiterbewirtschaftung aller pachtfrei werdenden Flächen zu gewährleisten, eine klare Regelung für die Pächterinnen und Pächter zu schaffen.

Wir stehen für ein Agrarstrukturgesetz, das einen Pacht- und Kaufpreisdeckel möglich macht und Anteilskäufe reglementiert. Damit kann eine Stabilisierung und Dämpfung der Dynamik des regionalen Preisniveaus im Grundstückskauf- und Landpachtverkehr erreicht werden. Es soll eine breite Streuung des landwirtschaftlichen Bodeneigentums unter regional verankerten Landwirten und Grundeigentümern fördern. Die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch gemeinnützige Landgesellschaften kann den Erwerb von Landwirtschaftsflächen durch Nichtlandwirt*innen weiter erschweren und dazu beitragen, Boden in öffentlicher Hand zu halten oder zu bekommen. Eine Preismissbrauchsschwelle, die es den Behörden erlaubt, Landverkäufe mit überdurchschnittlich hohen Bodenpreisen zu versagen, kann dazu beitragen, die Preisspirale zu bremsen. Vor allem muss Transparenz am Bodenmarkt hergestellt werden.

Gentechnik

Der Vorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung von mit neuen Verfahren erzeugten Gentechnik-Pflanzen (NGT) schafft Kennzeichnungspflichten, Sicherheitskontrollen und jegliche Art von Haftung ab. Vor allem haben Landwirte, Lebensmittelproduzenten und letztendlich Verbraucher dadurch keine Einsicht mehr, ob Lebensmittel, die sie anbauen, herstellen oder essen, neue gentechnisch veränderter Organismen enthalten oder nicht. Das vorgeschobene Argument der Gen-Lobby ist der Kampf gegen den Hunger. Für uns steht fest: Gentechnik erlöst uns nicht von weltweiten Ernährungsproblemen. Für den Hunger sind eine ungerechte Verteilung von Reichtum, Kriege und unfairer Welthandel verantwortlich. Die sogenannte grüne Gentechnik schafft dagegen neue gefährliche Probleme. Die Mitgliedstaaten hätten aufgrund der Verordnung, die unmittelbar umgesetzt werden muss, keine nationalen Verbotsmöglichkeiten mehr. Die Koexistenz der konventionellen, biologischen oder gentechnikfreien Land- und Lebensmittelwirtschaft ist nicht gesichert. Hinzu kommt, dass durch das defizitäre Patentrecht Eigentumsansprüche der Konzerne auf genmanipulierte Pflanzen erhoben und gegenüber den Landwirten entsprechende Nutzungsgebühren durchgesetzt werden können. Deshalb lehnen wir Gentechnik in altem und neuem Gewand ab!

 


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