Haushaltsrede der LINKEN im Heilbronner Kreistag für das Haushaltsjahr 2012

Zusammen mit Grünen und ödp lehnte DIE LINKE den Haushaltsplan 2012 im Kreistag ab. Auf der Kreistagssitzung am 5.12. in Erlenbach trug Kreisrat Johannes Müllerschön folgende Haushaltsrede vor:

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag

Sehr geehrter Herr Piepenburg

 

Von der letzten Kreistagssitzung in Roigheim ist für mich noch eine Frage offen geblieben, die Sie mir falsch beantwortet haben. Das Hausrecht während einer Kreistagssitzung liegt nicht beim jeweiligen Bürgermeister, in dessen Halle wir gerade tagen. Das Hausrecht ist geregelt in §31 der Landkreisordnung, ich zitiere: „Der Vorsitzende eröffnet, leitet und schließt die Verhandlungen des Kreistags. Er handhabt die Ordnung und übt das Hausrecht aus.“ Auch wenn es sich um die Landkreisordnung des alten Baden-Württembergs handelt, so gehe ich doch davon aus, dass mit Vorsitzendem unser aller Landrat gemeint ist, und nicht der Vorsitzende der Kreis-CDU und Initiator der Unterschriftensammlung, Herrn Lassotta. Natürlich haben Sie das auch in Roigheim schon gewusst, genauso wie die 50 Unterzeichner der Pro S21 Resolution, die ihre Falschauskunft in Sachen Hausrecht mit schenkelklopfender Zustimmung quittierten.

 

Aber meine Damen und Herren ich will meinen Einstieg in meine Haushaltsrede positiv gestallten. Ich freue mich Herr Piepenburg, dass Ihr Verständnis von Hausrecht so großzügig und tolerant ausgelegt ist, dass eine Unterschriftensammlung während der Sitzung kursieren darf, die nicht auf der Tagesordnung steht und von der Sie als Landrat zunächst gar keine Kenntnis hatten. Ich habe Ihnen Herr Piepenburg schon in Roigheim angekündigt, dass ich auf diese Gelegenheit zurückkommen werde. Für mich ist damit die juristische Aufarbeitung zum Wahlkampf in Sachen Volksabstimmung erst mal beendet. Politisch halte ich eine Aufarbeitung noch für notwendig. Ich mache das aber lieber entlang des Nahverkehrs in der Region, wie entlang einem Tunnelbahnhof im fernen Stuttgart, wenn er denn tatsächlich nicht nur gebaut, sondern auch finanziert werden kann.

 

Nahverkehr

Kommunalpolitisch hat für mich das Ergebnis der Volksabstimmung eher dramatische Auswirkungen. Mein Finanzierungskonzept (Stadtbahn Nord statt Stuttgart 21) wurde durch Volkesstimme abgelehnt. Deshalb sind neue Überlegungen angesagt. Wenn wir alle die Stadtbahn Nord, die S 3 ins Zabergäu und eine deutliche Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs im Landkreis wollen, dann müssen wir als Kreisräte auch mal die Perspektive wechseln.

 

1.Perspektivwechsel: Daseinsvorsorge statt Profitwirtschaft

Mit Perspektivenwechsel meine ich, dass wir nicht als Kapitalgeber Unsummen von Geldern ausgeben sollten für Ausbau, Betrieb und Fahrzeuge um damit Bahnvorstände und andere Verkehrsträger zu befriedigen. Unsere eigentliche anspruchsvolle Aufgabe Nahverkehr zu organisieren und durchzuführen und damit unseren Einwohnern Mobilität zu ermöglichen, übertragen wir dann an angeblich private Gesellschaften, auf die komme ich noch später zurück. Diese Gesellschaften betreiben dann mit unserem Kapital keine Daseinsvorsorge für die Einwohner, sondern die wirtschaften so wie Sie es halt können, nämlich privatwirtschaftlich und damit kapitalistisch. Dafür gibt es Beispiele, so die Die Bahn AG, die im Jahr 2011 2 Milliarden Euro Gewinn erzielen will. Aber auch der HNV der jetzt zum 11.12.11 die Fahrpreise um 3,9% erhöht, oder auch die AVG, die offensichtlich so langsam den Überblick verliert über ihr großes Streckennetz. Den Unterschied zwischen kapitalistischem Wirtschaften und Daseinsvorsorge spürt dann vor allem der Kunde, wenn er an der Haltestelle vergeblich wartet. Aber auch der Landkreisbewohner, der mangels Alternativen z.Bsp. auf dem Weg zu seinem Arbeitsplatz bei Audi sich durch Offenau im Stau durchquält.

 

2. Perspektivenwechsel: Ausbau des Nutzerkreises, statt teueres Flickwerk

An dieser Stelle will ich aus meinem Diskussionsbeitrag auf der letzten Delegiertenversammlung der IG Metall in Neckarsulm zitieren, die noch vor der Volksabstimmung stattfand, Zitat:

Kolleginnen und Kollegen,

für mich macht das Jahr 2011 auch sehr deutlich, dass wir als Gewerkschafter Politik nicht den Arbeitgebern und den herrschenden Bürgermeistern und Behörden überlassen dürfen. Die sind damit allein überfordert. …

Im Stadt- und Landkreis wird seid über 20 Jahren ein Nahverkehrskonzept geplant und ganz gemächlich umgesetzt, das sich Stadtbahn nennt. Bis heute ist der größte Betrieb in der Region in Neckarsulm noch nicht vernünftig an den Nahverkehr angeschlossen. Stuttgart 21 wird an dieser Tatsache ganz sicher nichts ändern, sondern im Gegenteil. Das Geld, das in Stuttgart verbuddelt wird, fehlt bei der Umsetzung einer vernünftigen Stadtbahn Nord.

 

Ihr wisst die Stadtbahn Nord soll kommen. Allerdings weis man schon heute, dass es in Richtung Norden ab Bad Friedrichshall keinen 1/2 Stundentakt sondern nur einen Stundentakt geben soll, weil sich dort die Stadtbahnstrecke teilt nach Mosbach und nach Sinsheim. Begründung ist Geldmangel. Deshalb mache ich dem Betriebsrat von Audi folgenden Vorschlag. Vielleicht könnt ihr Euch mal Landrat Detlef Piepenburg und die im Kreistag vertretenen Parteien in den Betrieb einladen und von ihm ein Nahverkehrskonzept einfordern, das auch den Interessen der größten Belegschaft in der Region, den Audianern gerecht wird. Zitat Ende.

 

Sehr geehrte Damen und Herren.

Wollen wir den leidlich funktionierenden Schülerbeförderungsverkehr im Landkreis Heilbronn zu einem funktionstüchtigen und bezahlbaren Nahverkehr ausbauen, dann müssen wir die Mobilitätsbedürfnisse der arbeitenden Menschen ebenso berücksichtigen wie die Bedürfnisse der Freizeitgesellschaft und der Menschen, die sich Mobilität finanziell gar nicht mehr leisten können. Deshalb unsere Forderung nach einem Konzept für ein Sozialticket. Nicht nur als soziales und moralisch notwendiges Konzept, sondern auch als ein vernünftiges betriebswirtschaftliches Instrument, um unsere teure ÖPNV Infrastruktur auch verstärkt zu nutzen und auszulasten..

Erst wenn wir diesen vier Kundengruppen 1) Schüler und Studenten 2) Arbeitnehmer und Berufsverkehr 3) Freizeit, d.h. vor allem Abends und am Wochenende 4) Sozialticket

ein überzeugendes Angebot machen können, werden wir das Transportvolumen erreichen, das Nahverkehr dann auch leichter finanzierbar macht.

 

3. Perspektivenwechsel: Car-Sharing und ÖPNV statt Dienstwagen mit Chauffeur.

Sehr geehrter Herr Piepenburg, sehr geehrter Herr Scholz, als kommunale Spitzenbeamte verfügen Sie über einen besonders privilegierten, öffentlich finanzierten Nah- und Fernverkehr. Ich meine damit ihren Dienstwagen mit Chauffeur. Das ist juristisch zulässig, finanzpolitisch interessant und mobilitätstechnisch eine große Chance. Sie könnten dem Beispiel ihrer Kollegin, der Regionaldirektorin im Regionalverband Stuttgart, der Frau Wopperer folgen. Sie hat ihren Dienstwagen zurückgegeben und steigt ein beim Car-Sharing. Ich finde das toll.

 

Noch besser fände ich es, wenn wir alle hier im Saal mehr auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen, und zwar nicht nur dann wenn mal wieder eine neue Strecke eingeweiht wird, sondern im Alltag. Schlagartig würde sich dann die Kompetenz des Kreistagsgremiums in Sachen Nahverkehr nachhaltig verbessern.

 

Es gäbe noch viel zu sagen zum Thema ÖPNV. Brief von Landrat Achim Brötel, Transparenz der Stadtbahnentscheidungen, Kosten und Nutzen für Offenau und Gundelsheim, Nachteil für Neckartalbahn, 160 000 Euro für Nahverkehrsgutachten, Zabergäubahn und vieles andere mehr…

Zu den 2 teuren Nahverkehrsgutachten kann ich mir gut vorstellen, dass wir Ihnen eine kostenlose Ausarbeitung zum Thema präsentieren, entweder als LINKE, oder aber in Verbindung mit anderen kompetenten Verkehrsinitiativen. Ich hoffe, dies fließt dann auch ein in das Gutachten und landet nicht im Papierkorb.

 

Jetzt will ich noch was sagen zur Kernkompetenz der LINKEN, nämlich zu den Sozialen Aufgaben.

 

Soziale Aufgaben

Beim Einbringen des Haushalts haben Sie Herr Piepenburg stolz berichtet, dass wir umgerechnet auf Einwohner mit 1.174 €/Einwohner Spitzenreiter unter allen

Landkreisen in Baden-Württemberg sind, was die Steuerkraftsumme der Städte und Gemeinden betrifft. Dieser Reichtum geht einher mit einer Zunahme der Zahl der von Armut betroffenen Menschen im Landkreis. Es ist eben nur die Hälfte der Wahrheit, wenn die Verwaltung in der Vorlage 26/2011 behauptet: „Auf den Stellenplan 2012 bezogen sind es vor allem gesetzliche Neuregelungen in sensiblen sozialen Aufgabenfeldern, die es erforderlich machen, zusätzliche Stellen zu schaffen.“   Zitat Ende

 

Die zweite Hälfte der Wahrheit ist, dass es immer weniger Menschen in prekären Lebenslagen gelingt, ihrer sozialen Notlage zu entkommen. Die Armut wächst auch im reichsten Landkreis von Baden-Württemberg. Und vielfach wirkt diese Armut über Generationen hinweg. Die Ursachen der wachsenden Armut sind vielfältig. Verantwortlich sind dafür auch Arbeitgeber und Gewerkschaften, wenn es Ihnen nicht gelingt eine Tarifpolitik fortzusetzen, wo normale Arbeit, wenn vorhanden nicht mehr zum Leben ausreicht. Aber auch politische Parteien, die einen gesetzlichen Mindestlohn nur als parteistrategisches und wahltaktisches Instrument betrachten und nicht als Mittel der Armutsbekämpfung. Nicht zu vergessen herzlose Sparpolitiker, die nicht sehen wollen, wie löchrig die so genannte soziale Hängematte nach vielen staatlichen Sparorgien geworden ist. Egal, wo wir die Verantwortung hinschieben, ausbaden müssen die Folgen wachsender Armut vor Ort auch unsere Beschäftigten zum Beispiel im Sozial- und Jugendamt. Wer sich in der sozialen Branche auskennt, weis wie Arbeits- und Belastungskonditionen z.Bsp im Allgemeinen Sozialen Dienst aussehen.

Und damit bin ich bei der Begründung für meine Anträge zum Stellenplan

 

Eine weitere Stelle im Allgemeinen Sozialen Dienst des Jugendamtes

Wenn die Neufälle dort um 10% steigen und die Fallbetreuung von 26 Beschäftigten abgewickelt wird, dann werden 2 neue Stellen dort nicht ausreichen um der zunehmenden Aufgabenstellung gerecht zu werden. Der Teufelskreis von unterbesetzten Abteilungen ist mir auch bekannt aus dem Betrieb, wo ich Betriebsrat bin. Unterbesetzung und Mehrbelastung der Mannschaft führt zu krankheitsbedingten Ausfällen und zu Fluktuation, Ausfälle und Fluktuation führt zu noch mehr Unterbesetzung und Mehrbelastung usw. usf…10% mehr Neufälle, für 26 Beschäftigte die eh schon überlastet waren, da darf man nicht auf 2 Planstellen runterrechnen, sondern man muss die 10% eher raufrechen. Deshalb bitte ich Sie darum, dem Antrag auf die Schaffung einer weiteren zusätzlichen Stelle für den Allgemeinen Sozialen Dienst im Jugendamt zuzustimmen.

 

Eine weitere neue zusätzliche Stelle in der Schuldnerberatung des Jobcenters, zum Abbau der immer noch monatelangen Wartezeiten möchte ich wie folgt begründen: Laut Heilbronner Stimme vom 22.11.11 gibt es immer noch monatelange Wartezeiten in beiden Schuldnerberatungsstellen im Stadt- und Landkreis. Notsprechstunden können da keine wirkliche, sondern nur kosmetische Abhilfe schaffen. Wenn der Gang des Betroffenen oder der Betroffenen zur Schuldnerberatung ansteht ist es meistens eh schon kurz vor oder nach 12, da darf nicht gewartet, sondern es muss kompetent und vermutlich personalintensiv beraten und mit den Gläubigern verhandelt werden. Auch wenn das jetzt vielleicht makaber klingt, aber ich habe mir sagen lassen, dass sich die persönliche Insolvenzabwicklung sogar wirtschaftlich darstellen läst, weil dafür das Land zuständig ist und entsprechend abgerechnet werden kann. Systembedingte Wartezeiten Herr Rapp überzeugen mich nicht. Vielleicht  haben wir ja dann das falsche System und sollten es ändern.

 

Die Begründung für die beiden Anträge zum Nahverkehr habe ich in meiner Haushaltsrede schon geliefert.

Herr Böhringer, in Sachen Zeitmanagement und Anträge gelobe ich Besserung. Sehen Sie es mir nach, dass ich mir als „Einzelkreisrat“ noch keine Vorstellung machen kann, wie es ist eine 19 köpfige Fraktion zu leiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wenn es Ihnen leichter fällt, den Anträgen des Herrn Müllerschön  zu zustimmen, als den Anträgen der LINKEN im Heilbronner Kreistag, dann tun Sie es. Mir geht wes um die Sache und nicht um Parteidisziplin.

 

Ich bedanke mich fürs Zuhören und bitte Sie um die Unterstützung der vorliegenden Anträge.

 

 

 

 

Erlenbach, den 5.12.11/Johannes Müllerschön


Ein Kommentar zu „Haushaltsrede der LINKEN im Heilbronner Kreistag für das Haushaltsjahr 2012”

  • manne sagt:

    Gute Rede mit viel Sachverstand, witzig, ein bißchen ironisch aber auch mit echter linker Leidenschaft. gruss manne

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