„Die Schere zwischen (Sozial-) Ausgaben und (Steuer-) Einnahmen schließen“

Fraktion DIE LINKE

Fraktion DIE LINKE

Haushaltsrede der Fraktion DIE LINKEN im Heilbronner Kreistag für 2015                                                                            Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag

Sehr geehrter Herr Piepenburg

Die Schere zwischen (Sozial-) Ausgaben und (Steuer-) Einnahmen schließen.

Mit dieser Aufforderung auf der Titelseite der Zeitschrift des Deutschen Landkreistags in der Juli/August Ausgabe wollen wir unsere diesjährige Haushaltsrede eröffnen. Wer die Berichterstattung über die Region verfolgt, könnte glatt den Eindruck gewinnen es gibt kein Auseinanderdriften von Einnahmen und Ausgaben, von Arm und Reich, von öffentlicher Armut und privatem Reichtum.

Der Landkreis Heilbronn, eine Insel der Glückseligen? Wir LINKE sehen das zum Teil anders.

Sie Herr Piepenburg haben in ihrer Haushaltsrede die 3 500 Langzeitarbeitslose schon erwähnt, die nach unserer Meinung trotz brummender Konjunktur keine Chance bekommen für einen geförderten Wiedereinstieg in die raue Arbeitswelt.

Viel soziales Elend, das im Jobcenter, im Sozial- und Jugendamt, in den Jules im Landkreis und an anderen Stellen sichtbar wird, ist zumindest auch Ergebnis kapitalistischen Handelns. Konkretisiert werden gerade jetzt in der Vorweihnachtszeit wieder viele Einzelschicksale von Menschen in Not, die durch das angeblich so dichte soziale Netz durchfallen.

Der Auslöser und der Anfang vom sozialen Abstieg ist zu oft die meist unverschuldete Kündigung des Arbeitsplatzes. Auch zunehmende, psychische Belastungen im Zusammenhang mit der modernen Arbeitswelt wirken oft als Einstieg in die Hilfsbedürftigkeit.  Einige Arbeitgeber treiben die eingangs erwähnte Schere gleich doppelt auseinander. Durch Steuerhinterziehung auf der Einnahmenseite und durch eine gnadenlose Beschäftigungspolitik und damit einer Steigerung von Sozialausgaben auf der Ausgabenseite. Dazu gehört zum Beispiel die Weigerung von Handelsriesen und Zeitungsverlagen, für Prospekt- und Zeitungsausträger einen existenzsichernden Mindestlohn zu bezahlen.

Aber Herr Müllerschön, das ist doch alles ganz legal, werden mir jetzt einige zurufen wollen. Ja, meine Damen und Herren, das ist genau das Problem. Falsche Politik hat dafür gesorgt, dass solche Zustände als gesetzkonform gelten. Steuerhinterziehung gilt als Kavaliersdelikt und Körperverletzung wegen gesundheitsschädlichen Konditionen am Arbeitsplatz ist kaum justiziabel. Deshalb will die LINKE eine andere, eine bessere  Politik, in Berlin, in Stuttgart, in Thüringen und natürlich auch in unserem liebenswerten  Landkreis Heilbronn.

In der Region Heilbronn-Franken haben beide Seiten der eingangs erwähnten Schere, konkrete Gesichter. 100 Milliarden Steuern werden bundesweit vor allem von großen Konzernen, aber auch von, als Mittelständler getarnten, Weltmarktführeren hinterzogen. Seit den Enthüllungen über das Junker`sche, europäische Steuerparadies, weiß ich auch, warum der Sitz des Mutterunternehmens, in dem ich arbeite, in Luxemburg ist. Sicher die gerechte Besteuerung der Millionäre Rheinhold Würth, Dieter Schwarz und anderen, die gerechte Besteuerung von Automobilkonzernen wie AUDI, VW oder Fiat werden wir im Heilbronner Kreistag nicht herbeiführen können. Allerdings können wir hier aufzeigen, wie sich Steuerhinterziehung vor Ort auswirkt. Wofür das Geld fehlt. Ja wir können sogar ausrechnen, wieviel Millionen unserem Landkreis durch Steuerhinterziehung vorenthalten wird. Teilt man/frau die 100 Mrd. Euro durch 80 Mio. Einwohner in Deutschland und multipliziert das Ergebnis um die 330000 Landkreiseinwohner, dann sind das abgerundet 388 Mio. Euro, die für dringend notwendige Ausgaben zur Verfügung stünden.

Die Kosten unserer sieben Anträge machen demgegenüber im Jahr 420 165 Euro aus. Wenn wir die eventuellen Kosten für die Ausweitung des Sozialtickets auf bedürftige Menschen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz von 81 480 Euro hinzuzählen, dann kommen wir auf 501 645 Euro Mehrkosten im Jahr. Im Vergleich zu den 388 Mio. Euros ist das eher bescheiden. Sie sehen Herr Böhringer und Herr Brunnet, wir LINKE machen uns sehr wohl Gedanken über die realistische Finanzierung unserer gestellten Anträge.

Angesichts dieses sehr hohen Potentials auf der Einnahmeseite, beantragen wir als Deckungsantrag, dass zusätzlich durch unsere Anträge entstehende Kosten im laufenden Haushalt eingestellt und bezahlt werden. Wenn es gar nicht anders geht sind wir für eine höhere Kreditaufnahme.

Bevor ich jetzt aber noch näher auf die Anträge der LINKEN zum Haushalt 2015 eingehe, will ich kurz auf die Gemeinsamkeiten im Kreistagsgremium eingehen. Das ist gar nicht so einfach, ohne als siebter Haushaltsredner hier die Öffentlichkeit mit Wiederholungen zu langweilen. Wir Linke stehen, wie Sie auch,  für die dringend notwendigen Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr, in den Neubau der Kliniken, in den Erhalt und den Ausbau  der Schulgebäude, in die teilweise heruntergekommenen Straßeninfrastruktur und vieles mehr.

Aber sehr geehrter Herr Piepenburg wir finden es befremdlich wenn Sie in ihrer Haushaltsrede sagen es ist Ihnen so quasi scheiss egal, wie der Ausbau der A 6 Brücke über den Neckar finanziert wird. Wen dieser neuralgische und mittlerweile offensichtlich verlotterte Verkehrsknoten tatsächlich so gefährdet ist, dann muss er schleunigst mit Staatlichen Mitteln solide saniert werden. Glücksritter und Profit orientierte Großkonzerne sind da nicht die richtigen Partner. Auch wenn sich adelige Bundestagsabgeordnete mit genossenschaftlichen  Finanzmodellen wichtigmachen, führt dies unserer Meinung nach nicht zu einem nachhaltigen  Erfolg.

Sehr geehrter Herr Piepenburg,

liebe Kreistagskolleginnen und –Kollegen

ich komme jetzt zu unseren Haushaltsanträgen. Auf Anregung vom Kollegen Böhringer haben wir diese rechtzeitig zur Vorberatung im Verwaltungsausschuss vorgelegt. Wir finden es jammerschade, dass diese dort nicht öffentlich vorberaten wurden. „Runter vom hohen Ross und näher ran an die Menschen“ – Mit dieser Losung hat der von den CDU Mitglieder im Land gewählte Kandidat Guido Wolf am Freitag das Rennen gegen Thomas Strobl gemacht. „Die CDU ist ein bisschen überheblich geworden“ meinte er Anfang November in Zaberfeld. Sehr geehrte Herren Piepenburg, Böhringer und Lasotta ich gebe da ihrem frischgebackenem Spitzenkandidaten Guido Wolf recht und sage ausdrücklich, das gilt auch für das Landratsamt an der Heilbronner  Lerchenstraße. Öffentliche Verwaltungen lassen sich nicht mehr abschotten vor dem Volk wie im Mittelalter. Die Demokratische Emanzipation ist auch in Baden-Württemberg vorangeschritten und sie wird weiter voranschreiten. Deshalb fordern wir weiterhin mehr Öffentlichkeit und mehr Transparenz bei den demokratischen Entscheidungen, die wir im Kreistag zu treffen haben.

Der Schwerpunkt unserer Anträge liegt auf dem Stellenplan 2015.

Dazu zunächst ein Kompliment an die Verwaltung. Die Begründungen für jede neu zu schaffende Stelle sind sehr gründlich und auch sehr gut nachvollziehbar.

Wir wollen an dieser Stelle ausdrücklich allen neugewählten Personalratsmitglieder  im Landratsamt zu ihrer Wahl gratulieren, namentlich auch der neuen Personalratsvorsitzenden  Frau Anita Bentz und Ihrem Stellvertreter Herrn Rainer Peschel. Wir sind überzeugt davon, dass alle Investitionen ins Personal und damit in die Menschen durch die Mitgestaltung von Arbeitnehmervertretungen auch effizienter und sozialer werden. Deshalb wollen wir als Kreistagsfraktion der LINKEN anregen, dass uns im nächsten Jahr auch eine Stellungnahme des Personalrats zum Stellenplan, zur Überstundensituation, zum Krankenstand und zur Fluktuation von Mitarbeitern zur Verfügung gestellt wird. Die Austaxierung von betriebswirtschaftlichen Sachzwängen und zu bewältigende Arbeitsvolumen an jedem Arbeitsplatz, das ist eine Gradwanderung. Die kann nur mit kompetenter und fairer Beteiligung von Betriebs- und Personalräten bewältigt werden. Dies sage ich auch auf Grund meiner beruflichen über 30 jährigen Erfahrung als Betriebsratsvorsitzender in der angeblich freien Wirtschaft.

Zum Antrag 1) vier zusätzliche Stellen im ASD

Herr Piepenburg, die Aussage aus ihrer Haushaltsrede, über einen „sehr engen Kurs bei den Personalkosten“, würden wir bestätigen. Dieser Kurs ist unserer Meinung nach auch dafür verantwortlich, dass im ASD (Allgemeinen Sozialen Dienst) des Landratsamtes Heilbronn die Fluktuation der Mitarbeiter zunimmt und zu einem Teufelskreis führt. Fluktuation wegen Überlastung am Arbeitsplatz, Überlastung am Arbeitsplatz beim Stammpersonal wegen zusätzlicher Arbeit (z.Bsp. Einarbeiten) durch Fluktuation. Dieser Teufelskreis muss dringend durchbrochen werden, deshalb fordern wir die vier zusätzlichen Stellen, um in Zukunft an die maximale Fallzahlen die die Bundesarbeitsgemeinschaft ASD-KSD empfiehlt ranzukommen. Deshalb bitten wir Sie, liebe Kreistagskolleginnen und –kollegen  um Unterstützung für diesen wichtigen Antrag.

Zum Antrag 2) 43 neue sozialversicherungspflichtige Teilzeitreinigungskräfte

Zu diesem Antrag haben wir bereits im Oktober einen Fragenkatalog  an das Landratsamt und die Schulleiter der Landkreiseigenen Schulen verschickt. Herr Piepenburg hat uns dann umfangreich geantwortet. Ich weiß nicht, ob Sie, oder vielleicht doch ein Teil von Ihnen diesen Schriftwechsel kennen. Auf den Informationen aus diesem Schriftwechsel begründet sich unser Antrag. Laut Antwortschreiben des Herrn Piepenburg läuft der Auftrag über die externe Reinigungsleistung an den Landkreisschulen bis 1.8.2016. Wir verstehen unseren Antrag  deshalb so, dass spätestens zu diesem Datum die 43 Reinigungsfachkräfte wieder direkt unbefristet beim Landratsamt beschäftigt werden und setzen darauf, dass viele bisherige Leasingarbeitskräfte damit aus ihrer prekären Beschäftigungssituation herauskommen.

Ziel dieses Antrags ist es auch, als öffentlicher Arbeitgeber ein deutliches Zeichen zu setzen. Reinigungsfachkräfte sind für uns keine Sachkosten, die wie im Betrieb über den Einkauf billig „eingekauft“ werden und dann womöglich alle fünf Jahre ausgetauscht und durch noch billigere ersetzt werden. Ähnliches passiert übrigens auch mit der beschlossenen Neuvergabe der Müllabfuhr. Auch Müllmänner und –frauen, die uns unseren Wohlstandsmüll einsammeln, sollten nicht mit jeder Ausschreibung alle fünf Jahre um Ihren Job zittern müssen. Auch Sie haben nach unserer Auffassung einen Anspruch auf einen unbefristeten ordentlichen Arbeitsplatz im öffentlichen Dienst. Liebe Kreistagkolleginnen und –kollegen dieser Antrag ist nicht ideologisch begründet, sondern ganz pragmatisch. Deshalb bitten wir auch für diesen Antrag um Zustimmung.

Zum Antrag 3) WLAN an Landkreisschulen

Wir denken der Antrag spricht für sich. Nicht nur über Zukunft und Bildung reden, sondern auch handeln und dort wo nötig, sinnvoll Geld einsetzen.

Zum Antrag 4) Flaggen zum Aktionstag gegen Gewalt an Frauen

Auch dazu gibt es einen kernigen und kontroversen e Mail Austausch zwischen Landrat Piepenburg und mir. Er liegt den Fraktionsvorsitzenden im Kreistag vor. Wir sind uns vermutlich alle in diesem Hause einig, dass es sinnvoll und notwendig ist, etwas gegen zunehmende Gewalt auf der Welt, nicht nur aber speziell gegenüber Frauen    was zu tun. Falls uns ein besserer Vorschlag erreicht, wie die Beteiligung des Landratsamt an den Aktionen des Heilbronner Frauenrats, dann sind wir dem aufgeschlossen. Ansonsten bitten wir auch für diesen Antrag um Unterstützung.

Zum Antrag 5) Stellungnahme zu TTIP

Liebe Kreistagskolleginnen und –kollegen bei der nichtöffentlichen Vorberatung im Verwaltungsausschuss ist der Antrag meiner Meinung nach zu Unrecht runtergemacht worden. Gerne biete ich Ihnen dazu eine Veranstaltung an, von Attac, BUND, DIE LINKE und Energiewende Heilbronn. Sie lautet „ Konzerne profitieren – Menschen verlieren. Was hat TTIP mit den Kommunen zu tun?“

Der Referent ist Thomas Eberhardt-Köster, Betriebswirt und Politikwissenschaftler, der in der Verwaltung einer deutschen Großstadt arbeitet und im Rat von Attac Deutschland aktiv ist.

Zum Antrag 6) Zabergäubahn

Lieber Herr Piepenburg, ich nehme es Ihnen sogar ab, dass Sie am Thema Zabergäubahn dran bleiben, so wie am Thema IC Verbindung Stuttgart-Würzburg. Aber Sie müssen verstehen, dass in Zeiten einer Grün-roten Regierung in Stuttgart und von Schwarz rosa in Berlin eine Bündelung aller regionalen Interessen dringend nötig ist, um erfolgreich zu sein. Deshalb übernehmen Sie die Kooperation aller Kräfte, die die Zabergäubahn wollen, auch die BI, wo heute einige da sind?

Zum Antrag 7) Weg mit den Sanktionen bei Hartz IV

Ja, Hartz IV ist ein Kernpunkt linker Politik. Trotzdem denken wir gibt es gute Gründe für alle Kommunalpolitiker sich gegen Sanktionen auszusprechen. Menschen von der eh nicht ausreichenden  Mindestsicherung noch was abzuziehen ist nicht nur unmenschlich, sondern vermutlich auch nicht verfassungskonform.

Den Danksagungen aller meiner Vorredner für alle Beschäftigten im Landratsamt schließen wir uns ausdrücklich an. Ich danke Ihnen fürs Zuhören.