Zwei Tage Brüssel statt Wandertag im Fünfmühlental.

20. Oktober 2010  Allgemein

Ein Reisebericht von Johannes Müllerschön

 Eigentlich hatte ich für den Wandertag des Kreistags schon zugesagt. Ich wollte wenigstens einmal mit Landrat und Kreistagskolleginnen und –kollegen gemeinsam unterwegs sein, in dieselbe Richtung, mit dem gleichen Ziel und mit einer ähnlichen Geschwindigkeit und dazu noch an der frischen Luft. Aber es kam anders. Die Vereinbarkeit von ehrenamtlichem Kommunalmandat und Haupterwerb in einem großen Konzern ist nicht immer einfach. Prioritäten setzen ist da angesagt. Zumal wenn auch Betriebsratsarbeit mit ehrenamtlichem Gewerkschaftsengagement verbunden ist.

Die Kombination internationaler Protestauftakt der europäischen, gewerkschaftlichen Herbstaktivitäten am 29.9.10  und am Tag darauf ein Treffen von Gewerkschaftern und betrieblichen Interessenvertretern der Fiat Group, beides in Brüssel, gaben dann für mich den Ausschlag. Ich entschied mich kurzfristig für Brüssel. Im Vorbereitungsstress vergaß ich sogar mich vom Wandertag abzumelden. Der im Betrieb (für den Wandertag) geplante Urlaub wurde kurzer Hand umgewidmet zum Protesturlaubstag. In anderen europäischen Ländern wird da eher gestreikt, statt geurlaubt, aber immerhin die Gewerkschaften versuchen sich international aufzustellen, das macht Mut und verdient Unterstützung.

Um 23.08 Uhr ging es dann am Vortag mit dem letzten Zug in Offenau los. In Heilbronn erfolgte ab Mitternacht die gemeinsame Anreise mit dem DGB, zum europäischen Protesttag. Leider gab es noch freie Sitzplätze im Bus, aber immerhin war es so leichter eine Mütze Schlaf zu nehmen. Bereits um 9.00 Uhr waren wir dann in Brüssel, mit die ersten auf einem riesigen Platz. Zum Frühstücksfernsehen im belgischen Straßencafe gab es die ersten Meldungen über einen Generalstreik in Spanien und weitere Aktionen. Die Beteiligung am Protesttag war unkompliziert und beeindruckend. Besonders gefiel mir das Transparent von „meinen“ belgischen Metallkollegen aus den Produktionswerken von CNH aus Zedelgame und Antwerpen.

Allerdings klärte sich erst im Laufe des Tages, ob ich mich am Fiattreffen am nächsten Tag beteiligen kann und mit welchem Status. Ob als Beobachter, oder Vertreter der IG Metall, oder als basisdemokratischer Rebell, der sich nicht abhalten lässt von einer Teilnahme, obwohl andere, offizielle deutsche Gewerkschafter das Treffen für nutzlos hielten, bzw. keine Zeit fanden.

Auch das klärte sich im Laufe des Tages, ich verabschiedete mich von den Kollegen aus Heilbronn. Mein Betriebsratskollege Alois aus dem österreichischen Traktorenwerk in Sankt Valentin hat mir ein Zimmer zum Übernachten besorgt. Stolz nimmt er mich abends mit zu einem Empfang des österreichischen Gewerkschaftsbundes. Im Gegensatz zu DGB und IG Metall haben die Österreicher in Brüssel ein Europabüro ihrer Gewerkschaften, zur Organisation von europäischen Kontakten. Passend zur Demo gab es dort abends einen spannenden Vortragsabend zum Thema: Sparpakete statt Finanztransaktionssteuer – wer bezahlt für die Krise? Mit anschließenden Häppchen.  

Das FIAT Koordinierungstreffen des EMB (Europäischer Metallgewerkschaftsbund)  am nächsten Tag ist interessant. Die Teilnehmer sind sich einig, die Infos über die Pläne der Konzernleitung sind absolut unzureichend. Befürchtet werden Standortschließungen und dass die Standorte gegen einander ausgespielt werden. Die Auswirkungen der angekündigten Aufspaltung auf die Beschäftigten und auf die Standorte wurden weder dem europäischen Betriebsrat noch den betroffenen Gewerkschaften mitgeteilt.

In der Mittagspause schließen wir uns dann kurz, von allen 5 anwesenden CNH Standorten aus St.Valentin/Österreich (Traktorenwerk), Ploch, Polen und Zedelgame, Belgien (beides Mähdrescherwerke), Antwerpen (Komponenten) und Heilbronn (Vertrieb, Deutschland). Auch da sind die Infos eher spärlich, aber was zählt ist, dass man sich näher kennenlernt und die Telefonnummern und e Mail‚ Adressen austauschen kann.

Beschlossen wird eine Presseerklärung des EMB , in der auf unser Anliegen aufmerksam gemacht werden soll und einen Brief des EMBs, in dem der CEO des Fiat Konzerns, Sergio Marchionne aufgefordert wird die Notwendigkeit eines sozialen Dialogs überhaupt anzuerkennen und zu beginnen. Mit einem solchen Dialog auf europäischer Ebene scheint nicht nur Fiat Chef  Marchionne Probleme zu haben. Auch die schwer gebeutelten und uneinigen, italienischen Gewerkschaften erschweren oder verhindern eine europäische Solidaritätsfront. Im Labournet Germany gibt es dazu einige aufschlussreiche Artikel.  Die Aktivitäten des EMB versuchen da anzusetzen und dagegenzu halten.

Abends geht es dann wieder zurück, mit dem letzten Zug über Köln, Mannheim und Mosbach/Neckarelz, nach Offenau. Außer Sorgen um die Arbeitsplätze und –konditionen im Betrieb bringe ich eine kommunalpolitische Erkenntnis aus Europas Hauptstadt Brüssel mit in die Region. In Brüssel kostet eine Fahrkarte für das gesamte gut ausgebaute U-Bahn Netz 1,70 Euro. Ein Einzelfahrschein für die 15 Km von Mosbach nach Offenau kostet alleine 3,20 Euro, ganz davon abgesehen, dass es am Bahnhof noch nicht mal ein „stilles Örtchen“ gibt, wenn man kurz vor Mitternacht eine halbe Stunde auf den Anschluss am Bahnsteig warten muss. Die Region hat mich wieder.