Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) Regionalverband Hall-Heilbronn-Hohenlohe berichtet über eine Veranstaltung zur Zabergäu- und Bottwartalbahn:
Am Mittwoch, den 16. Oktober 2019 hatte der VCD Regionalverband Hall-Heilbronn-Hohenlohe mit Unterstützung durch den Verein Zabergäubahn pro Stadtbahn und die Bürgeraktion Bottwartalbahn zum verkehrspolitischen Abend mit Diskussion nach Lauffen am Neckar geladen. Gekommen in die örtliche Weingärtnergenossenschaft waren rund 80 Teilnehmer*innen, die mit Spannung dem Motto des Abends folgten: Mehr Bahn braucht das Land! Reaktivierung jetzt – Zukunft für Zabergäu und Bottwartal. Einen Bericht über die Veranstaltung gibt es auch bei der Heilbronner Stimme: Neuer Schwung auf alten Gleisen.
Hans-Martin Sauter, Mitglied im Vorstand des VCD Hall-Heilbronn-Hohenlohe, führte in den Abend ein und berichtete kurz über das Engagement des VCD für ein besseres Angebot im Öffentlichen Verkehr (ÖV) der Region sowie über bevorstehende Verbesserungen zum Fahrplanwechsel. Daneben gaben Joachim Esenwein und Hans-Joachim Knupfer Einblicke in den jahrelangen Kampf der jeweiliger Bürgeraktionen für den Erhalt sowie die Reaktivierung von Zabergäubahn und Bottwartalbahn und beklagten die mangelnde politische Unterstützung durch die Mandatsträger. Die Hauptredner Matthias Lieb vom VCD-Landesverband sowie Gerhard Schnaitmann, früher Mitarbeiter und Planer der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW), beleuchteten die aktuellen verkehrspolitischen Entwicklungen und waren sich einig: Bessere Bedingungen für den Ausbau der Schiene als aktuell gab es noch nie!
VCD-Landesvorsitzender Matthias Lieb freute sich, dass durch die aktuellen Demonstrationen für den Klimaschutz das Thema Öffentlicher Verkehr (ÖV) in den Fokus der Politik gerückt sei und es endlich mehr finanzielle Mittel für dessen Ausbau gebe. Dazu gehörten natürlich auch weitere Reaktivierungen von Bahnstrecken, die das Land derzeit untersuche. Die Chancen dafür stünden gut, insbesondere wenn wie bei der Zabergäubahn die Infrastruktur noch erhalten sei. Sowohl Zabergäubahn als auch Bottwartalbahn hätten dank vieler Pendler großes Potenzial und könnten anderen erfolgreichen Reaktivierungsprojekten wie der Schönbuchbahn oder Ammertalbahn folgen. Lieb berichtete zudem von Zusagen aus dem Bundesverkehrsministerium, das Prozedere bei der sogenannten Standardisierten Bewertung, die für jedes Reaktivierungsprojekt notwendig ist, zu vereinfachen. Zuletzt gab es diesbezüglich Irritationen, da sich der früher sehr positive Wert für die Zabergäubahn verschlechtert hatte und nun die Reaktivierung gefährdet.
Die Zabergäubahn von Lauffen nach Zaberfeld, 1994 endgültig stillgelegt, steht in der Region ganz oben auf der Liste zur Reaktivierung, idealerweise als moderne Stadtbahn
„Wenn man politisch eine Reaktivierung will, dann findet man auch Stellschrauben, um die Standardisierte Bewertung positiv zu beeinflussen“, sagte Lieb. Zudem habe der Bund erst kürzlich die Mittel im Rahmen des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes massiv erhöht, womit kommunale Verkehrsprojekte finanziert werden können. Nun gelte es, vor Ort aktiv zu werden und die Gunst der Stunde zu nutzen. „Nur so kann die Verkehrswende gelingen“, so Lieb. Dazu müsse es neben dem Ausbau der Bahn natürlich auch viel mehr Angebote geben, um vom Bahnhof weiter in die Fläche zu kommen.
Gerhard Schnaitmann, Eisenbahnexperte und früher NVBW-Planer, stimmte zu und sagte: „Bessere Bedingungen für die Schiene als aktuell hatten wir noch nie!“ Auch er ermunterte die Region, sich schnell auf konkrete Konzepte zu verständigen und den Ausbau der Schiene vor Ort zu fordern. Schnaitmann ging ausführlich auf die Geschichte der Zabergäubahn und Bottwartalbahn ein, auf frühere Reaktivierungsprojekte in Baden-Württemberg und skizzierte, wie eine Zukunft als moderne Bahn aussehen könnte. „Die Zabergäubahn steht in der Region Heilbronn auf Platz 1 mit Sternchen zur Reaktivierung“, sagte Schnaitmann und plädierte klar für die Elektrifizierung der Strecke und die Weiterführung der Züge der Stadtbahn-Nord vom Heilbronner Hauptbahnhof bis ins Zabergäu im Halbstundentakt. „Wir brauchen für den Raum Heilbronn das nächste Modul des Stadtbahnausbaus“, stellte Schnaitmann fest. Die erste Geige spiele dabei die Zabergäubahn. Die Potenziale seien vorhanden, und es lasse sich betriebswirtschaftlich optimal organisieren.
Die Gleise der 1968 stillgelegten Bottwartalbahn sind längst verschwunden, sie müsste komplett neu aufgebaut werden, wodurch auch die großen Arbeitgeber wie Bosch angebunden werden könnten
Bei der Bottwartalbahn sieht Schnaitmann eine deutlich schwierigere Ausgangssituation, da man diese komplett neu aufbauen muss. Zudem habe man es mit unterschiedlichen Playern wie zwei Landkreisen zu tun, die sich erst mal einig werden müssten. Dennoch ist Schnaitmann sicher: „Auch bei der Bottwartalbahn sind die Potenziale vorhanden. Eine Stadtbahn durchs Bottwartal würde die Fahrgastzahlen der Zabergäubahn weit übertreffen.“ Das Projekt müsse man natürlich in Etappen umsetzen, und es komme an zweiter Stelle nach der Zabergäubahn.
Schnaitmann lenkte den Blick des Publikums zudem noch auf die Krebsbachtalbahn zwischen Hüffenhardt und Neckarbischofsheim. Würde man hier den etwa zwei Kilometer langen Lückenschluss zur Elsenztalbahn über Bad Rappenau herstellen, könnten die Stadtbahnen von dort weiter bis Neckarbischofsheim fahren und weitere sinnvolle Verknüpfungen herstellen. „Auch Aglasterhausen ist kein natürlicher Endpunkt einer S-Bahn“, sagte Schnaitmann mit Blick in den Norden. Würde man die zerstörte Brücke über den Neckar bei Obrigheim wieder aufbauen, könnten die Züge wieder wie früher von Meckesheim bis Neckarelz oder weiter über Osterburken bis Würzburg fahren. „Auch diese Dinge muss man denken, wenn man die Schiene zum Rückgrat der Verkehrswende machen will.“ mgr
Mehr Infos: https://stadtbahn.wordpress.com/2019/10/24/verkehrspolitischer-abend-die-gunst-der-stunde-fuer-reaktivierungen-nutzen/#more-1285