Neoliberale Umgestaltung unserer Gesellschaft bedroht die kommunale Ebene – Haushaltrede im Kreistag

Kreisrat bei einem Warnstreik der SLK Service GmbH 2022

Haushaltsrede Die Linke, Kreisrat Florian Vollert, 16.12.2024

Um an meine letztjährige Rede anzuschließen, wir haben weiterhin verrückte Zeiten: wieder haben wir als Landkreis starke Einnahmen, der Dax hat ein Rekordhoch und trotzdem hat man das Gefühl, dass alles den Bach runter zu gehen scheint. Hier im Landratsamt muss weiterhin Personal eingestellt werden, weil die kommunale Ebene immer mehr Aufgaben zu bewältigen hat.

Immerhin haben wir in Baden-Württemberg, zumindest im Landkreis Heilbronn noch starke Einnahmen. Aber die finanzielle Lage vieler privater Haushalte ist angespannt, die Inflation für die einfachen Leute besteht weiterhin. Alles wird teurer und gleichzeitig geht die Schere zwischen arm und reich weiter auseinander. D.h. wir leiden gar nicht alle gleich in den Krisen unserer Zeit. Teile unserer Gesellschaft profitieren in einem bisher nicht gekannten Ausmaß.

In unserer Boomregion Heilbronn wird sich diese Tendenz noch verschärfen. Stichwort KI „alle Hoffnung liegt auf Heilbronn“, um mal den ehemaligen Außenminister Joschka Fischer zu zitieren. Wenn ein deutsches Silicon Valley hier bei uns entsteht, bedeutet das auch, das die Ungleichheit der Einkommen steigt und sich viele Menschen in Zukunft hier keine Wohnung geschweige denn ein Eigenheim leisten können. Als Kommunalpolitik müssen wir deshalb entsprechende Konzepte entwickeln, Resilienzen für Normal- und Geringverdiener.

Aber zurück zur Zeit der Krisen. Mir ist, wenn wir über die aktuellen Probleme reden oftmals zu viel Geschimpfe über die Symptome dabei. Man muss die Symptome behandeln, aber es braucht auch eine Analyse der Ursachen. Das fehlt mir aktuell sehr. Es scheint geradezu ein Trick zu sein, nur noch über Symptome zu streiten und nicht mehr nach den Wurzeln von Problemen zu sehen. Ich vermute übrigens: ein neoliberaler Trick.

Also mal ein Beispiel, dass uns auch ganz erheblich als Kreis trifft. Die Krankenhausfinanzierung. SLK als Grundversorger ist unterfinanziert, durch das Fallpauschalensystem, so macht man bei Geburten defizit.

Die Investitionen in ein neues Gebäude übernimmt nicht mehr vollständig das Land, sondern soll das Krankenhaus selber tragen (meiner Meinung nach wäre das illegal) oder der/die Träger, in unserem Fall eben Stadt und Landkreis Heilbronn. Hunderte von Millionen Euros! Was könnten wir damit alles tun.

Warum wird das so gemacht? Man möchte die Krankenhauslandschaft schrumpfen, die Hälfte der Krankenhäuser soll es sein. Vorher hat man schon das Personal zusammengeschrumpft ebenfalls durch das Fallpauschalen-System, welches das Personal nicht direkt refinanzierte. Das Argument unserer neoliberalen Berater vom Schlage eines Boris Augurzky, damals hier im Kreistag: in den Niederlande wäre das genauso. Aber dort hat es eine andere Struktur von medizinischer Versorgung, das wird hier nicht erklärt, sondern nur geschlossen. 

Für was? Um Kosten zu sparen? Dabei wird der Gesundheitsbereich nicht günstiger für die Gesellschaft und andererseits gibt es Aktiengesellschaften, die im Krankenhausbereich fette Dividenden ausbezahlen können. Also was soll das alles? Die Bundesärztekammer spricht von der ZUNEHMENDEn PRIVATISIERUNG VON KRANKENHÄUSERN IN DEUTSCHLAND

Es geht um einen zunehmenden Privatisierungsdruck. Es geht darum innerhalb unseres Landes weitere Märkte zu schaffen, Zugänge für das Kapital. Verwertbarkeit aller Lebensbereiche. Der Jenaer Professor Klaus Dörre nennt das „innere Landnahme“. 

Hört sich verrückt an? Das gleich passiert bei privater Altersvorsorge oder bei der geplanten Aktienrente, es passiert, wenn die Autobahn von Weinsberg nach Wiesloch von Privaten finanziert, ausgebaut und betreut wird. Es passiert wenn aserbaidschanische Bauarbeiter für polnischen Mindestlohn bei mir die Straßen aufreißen und ein neuseeländischer Investor finanziert das. Und macht dann den Gewinn. In Stuttgart verschickt Vonovia falsche Nebenkostenabrechnungen an ihre Mieter, um noch mehr Aktienrendite ausbezahlen zu können. Oder wenn der Bildungsbereich zunehmend Unternehmensinteressen unterworfen ist, siehe Schwarz in Heilbronn.

Und wieso geben wir unsere Daseinsvorsorge zunehmend aus der Hand in die Hände von Privatunternehmen:

„Das Kapital braucht Anlagemöglichkeiten“ 

Die Triebfeder unseres Wirtschaftssystems ist die Konkurrenz gegenüber allen anderen, die zu einem ständigen Wachstumszwang führt. Auf Kosten von Menschen, Umwelt und Frieden.

So, was machen wir mit der Erkenntnis:

Bundespolitisch muss unsere Daseinsvorsorge geschützt und wieder leistungsfähig gemacht werden, wir brauchen ein Umkehr der Umverteilung von unten nach oben. Eine Vermögenssteuer wäre ein Anfang und in Spanien nutze man die Übergewinnsteuer für einen kostenlosen ÖPNV für Berufspendler. Wir brauchen Frieden und Verhandlung statt Militärkonfrontation und Krieg ( und bei Kriegen geht es eben vor allem um den „Kampf um die Ressourcen der Zukunft“, um Ursula von der Leyen zu zitieren).

Hier im Kreis sollten wir uns zumindest der Probleme bewusst sein und nun nicht unsoziale Politik im kleinklein betreiben und denken damit ändern wir was. Lieber sollten wir es im solidarischen Umgang versuchen.

Also nicht aus Ideologie das Sozialticket abschaffen, nicht an den Beschäftigten im Gesundheitsbereich sparen. Setzen wir uns für die Leute hier ein, versuchen wir Kapitalismusresilient zu werden.

Zu den Anträgen:

  • Sozialticket abschaffen war ein Fehler, nun können wir es berichtigen. Die Argumente für das Ticket lagen auf dem Tisch. Ökologisch, Kunden gewinnen und sozial
  • Leasingkräfte kosten viel Geld, damit und der Unterstützung des Landkreises sollten lieber richtiges Stammpersonal geschaffen werden. Das jetzige Modell führt weiter in eine Sackgasse.
  • Haus- und Kinderärztemangel zeigt sich auch im Schließen der Notfallpraxis. Kleiner Versuch vor Ort das zu verbessern: Unterstützung bei der Anstellung von studierten Pflegkräften.

Die Anträge sind mit Betroffenen besprochen.


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