Soll an älteren Schwerstbehinderten gespart werden? Beitrag der LINKEN im Kreistag zur Teilhabeplanung

Auf der Kreistagssitzung am 25.4. in Siegelsbach ging es u.a. um eine Teilhabeplanung des Landkreis Heilbronn für Menschen mit wesentlich geistiger und mehrfacher Behinderung, bei dem die Bedarfslage der nächsten Jahre ermittelt wird. Bei allgemeiner Zustimmung gab es doch eine kritische Einschätzung zur Betreuung Schwerstbehinderter im Seniorenalter. Dazu hielt Kreisrat Florian Vollert folgende Rede:

Sehr geehrte Damen und Herren,
wir beschließen heute eine Teilhabeplanung für den Landkreis Heilbronn. Damit soll der aktuelle Bestand aufgezeigt werden und der Bedarf für die Leistungen der Eingliederungshilfe bis 2023 vorausgeplant werden.
Der Landkreis hat die gesetzliche Aufgabe ausreichend Plätze zur Verfügung zu stellen. Hiermit soll Planungssicherheit für die nächsten Jahre für die Leistungserbringer [Anmerkung: das sind im Landkreis Heilbronn die Beschützende Werkstätte, Lichtenstern und die Offene Hilfe] gewährleistet sein.
Erarbeitet wurde die Teilhabeplanung vom Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg und dem Landratsamt. Begleitet wurden beide von einem Begleitkreis Teilhabeplanung, bei dem Kommunalpolitiker, die Leistungserbringer und auch Betroffene mitgemacht haben. Das begrüßen wir, ebenso, dass im Sozialausschuss ein jährlicher Bericht über den weiteren Verlauf der Teilhabeplanung informieren soll.
Irritiert haben uns die Bedenken der Leistungserbringer zur Teilhabeplanung. Ein wesentlicher Kritikpunkt der Leistungserbringer ist, dass in der Planung davon ausgegangen wird, dass Schwerstbehinderte, die nicht in den Werkstätten arbeiten können, sondern im Förder- und Betreuungsbereich betreut werden, mit 65 in die Tagesstätte für Senioren kommen. Die Leistungserbringer gehen davon aus, dass Teile des Personenkreis auch nach dem 65. Geburtstag die besondere Betreuung des Förder- und Betreuungsbereichs brauchen.
Der wesentliche Unterschied liegt im Betreuungsschlüssel, während im Förder- und Betreuungsbereich ein Schlüssel von 1:3 bzw. 1:5 vorgeschrieben ist, haben wir bei den Tagesstätten für Senioren einen Betreuungsschlüssel von 1:12. Es ist also wesentlich günstiger Menschen in diesen Tagesstätten unterzubringen. Menschen, die so schwer behindert sind, dass sie nicht in Werkstätten arbeiten können, die sich oftmals kaum artkulieren können. Es besteht die Gefahr, dass sie in den Tagesstätten für Senioren untergehen. Man wird hier unter Umständen auch dem eingesetzten Personal nicht gerecht.
Zwar werden in der Teilhabeplanung die Bedenken der Leistungserbringer benannt, aber es wird nicht darauf eingegangen. In den Teilhabeplanungen anderer Kreise kommt dieses Problem aber sehr wohl zur Sprache. So heißt es im Landkreis Biberach: „Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Angeboten der Seniorenbetreuung und des Förder- und Betreuungsbereich werden notwendig“. In Freiburg wird über „Eingliederungshilfebereiche“ im Pflegeheim nachgedacht.
In der Teilhabeplanung des Landkreises Heilbronn bleibt man dagegen konsequent bei der Einschätzung, dass ab 65 die Tagesstruktur der Senioren der richtige Ort ist. Obwohl der Landkreis mit diesem Vorgehen vor dem Heilbronner Sozialgericht bereits einmal gescheitert ist. Nach einem Urteil vom 30. April 2013 durfte ein Schwerstbehinderter auch nach seinem 65. Geburtstag im Förder- und Betreuungsbereich bleiben, mit dem Ziel der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, dem eben nur im Förder- und Betreuungsbereich Rechnung getragen werden konnte.
Übrigens auch in der Einschätzung, dass sich der Wechsel von Personen aus der Werkstatt in den Förder- und Betreuungsbereich und zurück ausgleicht, wie in der Teilhabeplanung angenommen, wird nicht nur von den örtlichen Leistungserbringern bezweifelt. So ist auch im Landkreis Tübingen die Erfahrung, dass mehr Menschen von der Werkstatt in den Förder- und Betreuungsbereich wechseln als andersherum.
Warum gibt es im Landkreis Heilbronn offensichtlich einen „großen Klärungsbedarf“ in der Frage Förder- und Betreuungsbereich bei über 65jährigen?
Trotz dieser Bedenken stimmen wir dieser Planung zu, begrüßen sie und hoffen auf Klärung im Sinne der betroffenen Menschen. (fv)