Haushaltsrede von Kreisrat Müllerschön zum Etat 2014 des Landkreises Heilbronn

02. Dezember 2013  Allgemein

Haushaltsrede der LINKEN im Heilbronner Kreistag für den Haushalt 2014                                                                                                Es gilt das gesprochene Wort

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger

Liebe Kolleginnen und Kollegen im Kreistag

Sehr geehrter Herr Piepenburg

Sehr geehrter Herr Bosch von der Heilbronner Stimme,

 

all diejenigen, die heute einen Auftritt von mir als Don Quichote, mit Pferd und langer Lanze erwarten, all diejenigen muss ich enttäuschen.Ohne Provokation bedanke ich mich dieses Mal schon vorab bei all denjenigen, die mir heute als sechster Haushaltsredner überhaupt noch zuhören. Seit der letzten Kreistagssitzung weiß ich, dass dies nicht selbstverständlich ist. Einige inhaltlichen, verbalen Spitzen, meine Damen und Herren, kann ich mir aber auch heute nicht verkneifen.

 

Sehr geehrter Herr Böhringer, Sie haben mich auf der letzten Verwaltungsausschusssitzung zu Recht daran erinnert, dass ich noch keine konkrete Gegenfinanzierung unserer Anträge vorgelegt habe. Dieses Versäumnis liegt nicht daran, dass wir LINKEN keine konkreten Vorschläge zur Finanzierung der staatlichen Ausgaben hätten. Im Gegenteil. Bereits für den Haushalt 2013 habe ich auf der Kreistagssitzung in Talheim eine Initiative vorgeschlagen im Rahmen des Bündnisses „Umfairteilen – Vermögenssteuer jetzt!“ Höhere Reichensteuern kommen direkt dem Land und damit auch der „kommunalen Familie“, also den Kommunen und den Landkreisen zugute. Das wären 10 Milliarden Euro Mehreinnahmen.

 

Aber nicht nur Reichensteuer, sondern auch Mindestlohn könnte die Einnahmeseite unseres Haushaltes positiv beeinflussen. Da ist mir die Kämmerei noch eine Antwort schuldig aus der Kreistagssitzung in Flein:

„Wie viel Euro spart der Landkreis Heilbronn 2014, wenn bundesweit ein flächendeckender Mindestlohn von 8.50 Euro umgesetzt wird und damit keine Sozialausgaben für sogenannte Aufstocker mehr anfallen?“

In Kenntnis des Entwurfes vom Koalitionsvertrages, meine Damen und Herren, können wir nun einschätzen, dass für 2014 an dieser Stelle keine Verbesserungen zu erwarten sind, weil der Mindestlohn, wenn überhaupt, leider erst 2015 bzw. 2017 kommen wird. Erlauben Sie mir deshalb noch zwei drei Sätze zur vermutlich anstehenden neuen Bundesregierung und ihren Plänen. Ich teile die Kritik von zwei Unterländer Gewerkschaftern: Silke Ortwein vom DGB kritisiert: „Das weitere Aufgehen der Schere zwischen Arm und Reich wird nicht verhindert.“  Frank Stroh vom VdK und Mitglied der IG Metall meint, befragt von der Heilbronner Stimme, dass die Altersarmut keine Rolle im Koalitionsvertrag spiele. Beide zu Recht kritisierten Punkte der geplanten Bundespolitik werden im Landkreis deshalb leider auf der Ausgabenseite zu Buche schlagen. Deshalb bin ich als Kreisrat gegen diesen Koalitionsvertrag, auch wenn ich gar nicht danach gefragt werde. Als Gewerkschafter und Betriebsrat bin ich gegen diesen Koalitionsvertrag, weil er von der Richtung und von der Geschwindigkeit zu dürftig ist, wenn es um mehr soziale Gerechtigkeit und um mehr Fairness am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft geht. „Weiter so!“ das ist auch nicht unser Ding als Partei DIE LINKE.   

 

Jetzt aber zurück zum Haushalt. Herr Piepenburg, Sie haben in Ihrer Haushaltsrede darauf hingewiesen, wie atemberaubend schnell die Zeit vergeht. Ich gebe Ihnen da Recht, nicht nur in Hinblick auf das Haushaltsjahr, sondern auch bemessen auf die Tatsache, dass ich heute hier für die LINKE schon den fünften Haushaltsentwurf seit 2009 mit Ihnen öffentlich berate. Die drei Anträge, die ich damals stellte, sind heute erledigt, auch wenn es damals keine Mehrheit dafür gab. Es gibt im Landkreis ein Solardachkataster, zusätzliche Stellen bei der Schuldnerberatung  und das Brückenprojekt in Gundelsheim haben Sie, Herr Landrat, jetzt selber zurückgestellt, nach einem Moratorium des Landes. Trotzdem wundert es mich, dass wir für diese Brücke fünf Jahre lang Gelder (immerhin ca. 3 Mio. Euro) bereitgestellt haben, nur um dann festzustellen, dass vorerst doch nicht gebaut wird. Wie viel Geld hätten wir an Zinsen sparen können, wenn mein Antrag damals schon eine Mehrheit gefunden hätte?

 

Verkehrssituation im Nördlichen Landkreis.

Der Wettbewerb zwischen Schiene und Straße lässt sich derzeit während den Baumaßnahmen zur Stadtbahn Nord dort gut beobachten. Während die Bahnhöfe in Offenau und Gundelsheim wegen Bauarbeiten geschlossen sind, nehmen die Staus auf der B 27 drastisch zu. Würde der HNV auf der Neckartalstrecke während dem Schienenersatzverkehr eine Fahrgastzählung durchführen, würde er feststellen, dass viele Pendler wieder aufs Auto umsteigen, zumindest während der Bauzeit. Auch wer beim größten Arbeitgeber der Region am Tor 6 vorbeifährt, sieht eindrucksvoll den Wettlauf zwischen weiterem Parkhausneubau, der hektisch voraneilt und dem vor sich hin dümpelnden Bau des dortigen Stadtbahnhaltepunktes.

Vielleicht sind wir uns sogar hier im Kreistag einig, dass die unbefriedigende Verkehrsbelastung im nördlichen Landkreis entlang der B 27 nicht mit dem Brückenbau in Gundelsheim verbessert werden kann. Ich sehe eher ein Problem darin, dass die B 27 von der Autobahnausfahrt bis nach Neckarsulm vierspurig ausgebaut werden soll, um dann spätestens bei Jagstfeld, in Offenau und in Gundelsheim-Böttingen den Auto- und LKW-Verkehr durch geplagte Wohngebiete in den Ortsdurchfahrten zu führen. Weder der nutzerfreundliche Ausbau und Betrieb der Stadtbahn lässt sich per kommunalpolitischer Kirchturmpolitik verwirklichen, noch eine angemessene Straßenverkehrsführung durchs enge Neckartal. Deshalb stellen wir LINKE dieses Jahr den Antrag mittels geologischem Gutachten zu prüfen, ob Tunnelbohrungen in Offenau und Böttingen nicht eher angebracht und sinnvoll sind, als beim immer noch umstrittenen Projekt Stuttgart 21. Der Kreistag könnte mit Unterstützung dieses Antrages auch eine Korrektur anpeilen zu der umstrittenen Unterschriftensammlung pro Stuttgart 21, die Sie, Herr Lassotta, damals im Kreistag in Roigheim durchgezogen haben. Seither ist es verdächtig ruhig geworden bei den Pro Aktivisten in der Region. Ich denke, der Antrag spricht für sich und sollte nicht abgebügelt werden mit dem Hinweis, dass es sich um eine Bundesstraße handle und der Kreistag nicht zuständig sei. Die verkehrsgeplagten Einwohner entlang der Ortsdurchfahrten wollen zukunftsfähige Lösungen und kein „Schwarze Peter“-Spiel der politisch Verantwortlichen.

 

Nahverkehr, Stadtbahn Nord und Zabergäubahn

Die Ost-West-Verbindung von Eppingen nach Öhringen wurde in sechs Jahren für 250 Mio. Euro gebaut. Die Fertigstellung der Stadtbahn Nord (d.h. die Hälfte einer Nord-Süd- Verbindung) kostet fast genau so viel, ca. 231 Mio. Euro. Die feierliche Inbetriebnahme der Stadtbahn Nord wird marketing-technisch zwar grandios vermarktet. Der Nutzen für die Einwohner im nördlichen Landkreis und für die Beschäftigten beim größten Arbeitgeber der Region ist allerdings noch nicht so recht erkennbar. „Gemeinsam haben Stadt- und Landkreis Heilbronn die vorgenommenen Aufgaben erfolgreich gemeistert“. Wow, ich dachte ich les‘ nicht recht, als ich die Einladung unserer beiden obersten kommunalen Spitzenpolitiker Himmelsbach und Piepenburg in Händen hielt. Ich denke, zumindest als Landkreis haben wir uns einiges mehr vorgenommen, wie das bestehende Chaos zwischen Harmonie und Mosbach Neckarelz, bzw. Sinsheim. Der Blick über den Kirchturm oder besser über die Stadtgrenzen hinaus scheint da doch sehr, sehr eingeschränkt und realitätsfern.     

Einige haben da jetzt einen neuen Sündenbock ausfindig gemacht: Die deutsche Industrie soll schuld daran sein, dass die neuen benötigten Stadtbahnwagen noch keine Zulassung für die Bahnstrecke haben. Aber, meine Damen und Herren, das ist nur eine faule Ausrede. Schauen Sie sich doch die Haltepunkte bei Audi an und die Bahnhöfe in Jagstfeld, Offenau und Gundelsheim. Auch die stehen zu einer erfolgreichen „Inbetriebnahme“ nicht zur Verfügung. Aber Herr Brunnet und Herr Böhringer, können Sie mir sagen, wann diese Stadtbahnwagen und von wem genau bestellt wurden? Kann es sein, dass die endgültige Bestellung aus finanz- und steuertechnischen Gründen noch gar nicht so richtig erfolgt ist? Als Techniker halte ich bei so komplexen Fahrzeugen, vor allem auch wegen ihrer komplizierten Zweisystemtechnik eine Lieferzeit von ca. 1 Jahr für nachvollziehbar. Gerne schicke ich Ihnen, Herr Brunnet, auf Wunsch ein gemeinsames Positionspapier vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen und vom Verband der Bahnindustrie in Deutschland e.V. zu, das mir ein Gemeinderat aus Güglingen erst gestern hat zukommen lassen.

 

Ein Wort noch, Herr Piepenburg, zu Ihrem auch emotional glaubhaften Engagement für die Stadtbahn, das ich gar nicht in Zweifel ziehen will. Sie wollen, dass die Stadtbahn ihren Zweck erfüllt für die Nutzer, aber wir alle zusammen bekommen es nicht so recht hin. Woran liegt´s? Sie sagen, es liegt an der fehlenden Wettbewerbssituation bei der Bahn und beim Hersteller. Die Bahn ist staatlicher Monopolist und könnte von fähigen Politikern für die „Daseinsvorsorge soziale Mobilität“ verpflichtet werden. Stattdessen folgt die Bahn mit Duldung von unfähigen Politikern profitorientierten Zielsetzungen, die mit Kundeninteressen nicht kompatibel sind. Allerdings bin ich überzeugt, dass wir speziell beim HNV zu viele Akteure haben, die mitmischen wollen und nicht zu wenige. Die meisten Verkehrsanbieter haben nur privatrechtliche Interessen. Viele Kommunalpolitiker denken und entscheiden oft nicht über ihre eigenen Kommunalgrenzen hinweg. So lässt sich kaum vernünftiger kommunenübergreifender regionaler Nahverkehr kostengünstig und effizient organisieren.

Wettbewerb im marktwirtschaftlichen Sinne allein wird es also nicht richten. Politischer Wettstreit um die effizienteste Lösung und danach eine gemeinsame Umsetzung sind da meiner Meinung nach eher angesagt. Aber von den Grundsätzen im ÖPNV zurück in die Niederungen vor Ort.

 

Mit der holprigen Inbetriebnahme der Teilstrecke der Stadtbahn Nord, ist ja nur die Hälfte einer Nord-Süd Verbindung finanziert und fertiggestellt. In der Juli Sitzung in Flein haben wir darüber beraten. Das Zabergäu ist eben nicht mehr Bestandteil des ÖPNV-Leitbildes des Landkreises aus dem Jahr 1992/93. Anderslautende Sprechblasen helfen da nicht weiter.

Deshalb sind jetzt dringend auch alternative Finanzierungsmodelle für den ÖPNV Verkehr im Zabergäu angesagt und zwar weit über das neue Buskonzept hinaus bzw. alternativ dazu. Ich freue mich, dass es dafür immer noch große Unterstützung gibt von der Bürgerinitiative “Zabergäu pro Stadtbahn e.V.”, von der Kreistagsfraktion der Grünen und von vielen Menschen vor Ort. Die drei Anträge sind mit der BI vorberaten. Es gab überwiegend positive Rückmeldungen. Ich freue mich übrigens auch Herr Piepenburg, dass Sie bei der Inbetriebnahme der Stadtbahn Nord gleich anschließend an die Frau Staatssekretärin Dr. Gisela Splett ein Grußwort sprechen werden. Sie hat aus meiner Sicht im Zabergäu bei der Entbuschungsaktion und der Kundgebung dort in Brackenheim ganz gute Impulse gesetzt.

 

Nahverkehr und Sozialticket und Dachsanierung der ehemaligen Synagoge Heinsheim

Die beiden Anträge habe ich gestellt, weil ich sicher gehen wollte, dass die entsprechenden Themen nicht ohne öffentliche Erörterung in der Schublade verschwinden. Die 480 000 Euro für das Sozialticket wollten wir, die LINKE, ja schon im Haushalt 2013 bereitstellen. In der Vorberatung habe ich mitbekommen, dass der Verzug wohl nicht auf die Landkreisverwaltung zurückzuführen ist. Schade, dass die Landkreise Hohenlohe und Schwäbisch Hall das Angebot fürs Sozialticket jetzt noch nicht im ersten Anlauf mit einführen. Nach der Devise, der soziale Fortschritt ist wohl manchmal auch im Landkreis wie eine Schnecke unterwegs, ziehe ich den Antrag zurück und hoffe trotzdem für die betroffenen Menschen auf die zeitnahe Einführung des Sozialtickets zumindest im Landkreis Heilbronn.

 

Beim Antrag auf die Dachsanierung werden wir ja jetzt im Anschluss getrennt abstimmen, wenn ich das Procedere richtig verstanden habe. Ich werde der Zurückstellung des Antrages nicht zustimmen, weil ich aus Dringlichkeit die Mittel zur Dachsanierung sofort bereitstellen will. Eine extra Abstimmung darüber halte ich aber nicht mehr für notwendig, weil ich nach der Vorberatung den Eindruck gewonnen habe, dass der Antrag des Freundeskreises Ehemalige Synagoge mehrheitliche Unterstützung erfahren wird. Deshalb ziehe ich auch diesen Antrag zurück.

 

 

Es bleiben also folgende acht Anträge, sechs davon mit finanziellen Auswirkungen.

Zur Finanzierung schlage ich dasselbe Verfahren vor, wie in der Vorlage 29/2013 im Antragstext vorgeschlagen: „Mehraufwendungen, die sich aufgrund unserer Anträge ergeben sollten, werden zunächst außerplanmäßig bewilligt und im Nachtragshaushalt 2014 veranschlagt“. Falls diese Gegenfinanzierung der Geschäftsordnung nicht ausreichend entsprechen sollte, beantrage ich die Finanzierung über die Aufnahme von zusätzlichen Kreditmitteln.

 

Stellenplan, Haushalt und Wirtschaftsplan für unseren Abfallwirtschaftsbetrieb

Ich kann mir heute nicht vorstellen, dem Stellenplan fürs Jahr 2014 zuzustimmen, solange wir keine Stelle für eine Frauenbeauftragte einführen. Eine Quote für weibliche Aufsichtsratsmitglieder, liebe Großkoalitionäre, nützt hilfsbedürftigen Frauen im Landkreis gar nichts, solange wir auf dem flachen Land 25 Jahre hinter dem Angebot im Stadtkreis hinterherhinken. Es kann nicht sein, dass die Aufgaben der Landkreisverwaltung zunehmen und gleichzeitig Stellen abgebaut werden. Die zunehmenden sozialen Aufgaben dürfen nicht auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden.

 

Auch dem Haushalt und dem Wirtschaftsplan will ich so wie von der Verwaltung vorgelegt nicht zustimmen. Im Wirtschaftsplan fehlt mir, trotz seit Jahren vorbildlicher Wirtschafsführung der große Wurf, der mit einer Rekommunalisierung der Müllabfuhr erreichbar wäre. Soziale und ökologische Standards können am besten im Eigenbetrieb umgesetzt werden. Deshalb finde ich es schade, dass Sie Herr Piepenburg und die Verwaltung entsprechende Überlegungen offensichtlich wieder fallen gelassen haben. Ich wünsche mir dabei mehr Mut zur Veränderung, hin zu einem sozialen und solidarischen Landkreis.

Den Danksagungen, Weihnachts- und Jahreswünschen meiner fünf Vorredner, schließe ich mich an.

Johannes Müllerschön, Kreisrat DIE LINKE